KO aber glücklich
Es ist Donnerstagabend und ich sitze in unserem Sprinter. Draußen zwitschern die Vögel, drinnen summt der Kühlschrank leise vor sich her. Wir sind wieder in der Wildnis—endlich. 4 Tage im Tahoe National Forest stehen uns bevor. Wir wollen wandern gehen und haben die Mountainbikes dabei. Heute Abend stehen wir am Bowman Lake, an einem künstlichen, alpinen Stausee. Unser Plätzchen ist traumhaft schön. Wir stehen direkt an einer Klippe mit Blick über beinahe den gesamten See. Die Szenerie erinnert mich etwas an den Comer See, auch wenn der Bowman Lake natürlich viel kleiner ist. Die Fahrt hierher war allerdings ein Abenteuer für sich.
Es galt erst Schotterpisten und dann schweres Gelände mit wahllos verstreuten Felsbrocken zu überwinden—Offroad pur und ohne Allradantrieb kaum zu meistern. Mehrfach begann mein Herz schneller zu schlagen, ganz besonders an einer Stelle. Es ging mit Schmackes bergauf und dann um eine Rechtskurve—rechts der Berg, links der Abgrund. Plötzlich klaffte auf der ohnehin schon bedenklichen Schotterpiste ein großes Loch, das ich nicht umfahren konnte. Irgendjemand hatte versucht, es mit groben Felsbrocken zu füllen. Einladend sah es dennoch nicht aus. Ich hatte nur die Wahl zwischen dem Abgrund und ordentlicher Schräglage beim Durchfahren des Lochs. Ich setzte zurück und nahm Anlauf. Mein Herz klopfte schnell und laut. Augen zu (natürlich nur Sprichwörtlich) und durch: Ich gab Gas und meisterte die Stelle relativ problemlos—Sprinter sei dank. Nach weiteren 40 Minuten Schotterpiste hatten wir dann unser Plätzchen gefunden. Einmal steil bergab, mehrere Felsbrocken umschifft und dann haarscharf zwischen Baum und Felsen vorbei eingeparkt. Hier würden wir erstmal bleiben.
Am nächsten Tag machten wir eine Mountainbiketour bis ans Ende der Schotterpiste. Dabei fiel uns auch, wie voll es am See war. Während unser Plätzchen etwas Abseits war, stapelten sich die Menschen, Autos und Zelte am Ufer. Von Covid-19 und Abstandhalten keine Spur. Dafür gab es ausreichend Motocross-Maschinen, Quads und Rednecks. Warum denn laufen oder mit dem Mountainbike fahren, wenn man auch mit ordentlich Benzin und Tempo durch den Wald heizen kann. Wir hatten ursprünglich vor, mit dem Rad den Stausee zu überqueren und einen Wanderweg zu anderen Bergseen zu erkunden, kamen aber nicht auf die andere Seite des Ufers. Egal, es tat gut, sich endlich mal wieder zu bewegen und auszupumpen. Abends wurde uns dann noch etwas „Hafenkino“ geboten. Eine Gruppe 20-jähriger fuhr mit einem mordsmäßig getunten Jeep Cherokee nicht nur auf unseren Platz vor, sondern direkt auf den Fels neben uns. Ohne mit der Wimper zu zucken, und offensichtlich mit ordentlich Offroad-Erfahrung, lenkte der Typ sein Auto einfach direkt auf den Berg zu und kletterte dann gute 6-8 Meter über den glatten Fels nach oben. Dort angekommen wurde beschlossen, auf der Kuppe ein Zelt zu errichten. Es dauerte aber nicht lange, da wurden den vier Jungs und Mädels klar, dass dort oben ein fieser Wind wehte. Und so wendeten sie auf der Kuppe (!!!), fuhren hinab und zogen von dannen. Bei uns gab es nach dieser Performance Gnocchi mit Spinat-Pesto-Sahnesoße, die wir im Auto essen mussten, da es plötzlich anfing wie aus Eimern zu regnen. Das Thermometer sank ins bodenlose. Als wir während einer kurzen Regenpause Zähne putzten, kondensierte unser Atem. Gut, dass ich am Abend vorher noch die neuen Deckenspots angeschlossen hatte, so konnten wir drinnen noch etwas sitzen und lesen. Die Nacht war dann kalt, trotz langer Schlafanzüge, Mützen und Socken. So kann es gehen in den Bergen.
Nach zwei Tagen am Bowman Lake stand uns der Sinn nach einem Ortswechsel. Wir hangelten uns auf der Schotterpiste zurück und wurden von einem Asiaten kurz vor der Engstelle angehalten. Er habe einen Van wie unseren, ob denn die Straße so schlecht bleiben würde. Wir verneinten, empfahlen aber 4-Wheel-Drive. Nein, habe er nicht, entgegnete der Herr. Egal, ich wollte weg hier, bog um die Kurve und sah an der Engstelle nicht nur seinen alten Ford Van (von wegen einen Van wie unseren), sondern auch ein dutzend Quads aufgereiht stehen. Stau, natürlich an der blödesten Stelle. Dafür hatte jemand das Loch mit Felsbrocken aufgefüllt, so dass es nicht mehr so schlimm aussah. Ich wollte weg hier, gab Gummi und fuhr haarscharf unter dem Staunen der Passanten an den Quads vorbei. Eine gute Stunde später fanden wir ein ruhiges Plätzchen für die Nacht am Lindsay Lake und machten noch eine Wanderung zum Upper Rock Lake. Der Feldweg war nicht besonders schön, aber wenig begangen, so dass wir unsere Ruhe hatten. Das Highlight war ein Plumpsklo, das völlig überraschend an einer Feuerstelle stand. So blieb uns diese Nacht der Spatengang erspart. Diese Nacht war noch kälter als die letzte, da sie Sternenklar war. Wir kauerten uns zusammen und waren froh, dass wir unseren Sprinter so gut isoliert hatten. Draußen war es garantiert nur knapp über 0˚C in der Nacht.
Am Sonntag machten wir noch eine wunderschöne Wanderung zum Penner Lake. Nach 3 Tagen in der Wildnis fühlte ich mich, trotz einmaliger Campingdusche, auch etwas so. Auf dem Parkplatz des Trails war die Hölle los, überall Menschen. Auf dem Trail ging es dann. Wir kletterten an mehreren wunderbaren Bergseen vorbei hinauf zum Penner Lake. Im Gegensatz zu den Vortagen war es heute warm und sonnig. Am Penner Lake wehte allerdings eine stramme Brise, die mich dann doch davon abhielt, baden zu gehen. Schade, denn der See war einladend und wunderbar klar. Dennoch geht irgendwann jeder (Kurz-)Urlaub vorbei. Wir stiegen ab, setzten uns ins Auto und traten die Heimreise an. Nach 3 Tagen Wandern und Mountainbiken gönnten wir uns einen Burger bei In-N-Out.
4 Tage Wildnis, das war einfach toll. Und unser Sprinter hat ebenfalls restlos überzeugt. Obwohl wir den Kühlschrank tagsüber pausenlos in Betrieb hatten und unsere iPhones und meine Apple Watch jede Nacht am Strom hatten, schafften wir es nie, die Batterien auf unter 98% zu entladen. Schon wenige Sonnenstrahlen reichten aus, um sie jeden Morgen wieder voll zu machen. Am besten war allerdings die Abstinenz von Nachrichten und jeglichen Medien. Wir träumten nachts teils wild und hatten offensichtlich jetzt Zeit, endlich mal etwas zu verarbeiten. Zusammen mit dem sportlichen Aktivitäten machte uns das glücklich. KO, aber glücklich.
Soziale Unruhen
Vor zwei Wochen ist ein Schwarzer durch Polizeigewalt zu Tode gekommen—wieder einmal. Aber dieses Mal ist alles anders. Die Wut und Frustration über Pandemie, Arbeitslosigkeit und die mangelnde Empathie des Präsidenten entlud sich nicht nur in friedlichen Protesten, sondern Plünderungen und gewalttätigen Auseinandersetzungen mit den Ordnungskräften. Und wir sind irgendwie mittendrin. In Berkeley war die Lage zwar relativ ruhig, die Auswirkungen der Gewalt waren dennoch überall sichtbar. Mehrere Läden, unter anderem unser Trader Joe’s, waren komplett verrammelt, die Schaufenster durch Sperrholzplatten geschützt. Man richtete sich auf Plünderungen ein, trotz Ausgangssperre. In Oakland und Emeryville sah die Lage dann deutlich düsterer aus. Dort wurden mehrere Geschäfte ausgeräumt und verwüstet—darunter auch zahlreiche Autohäuser. Selbst das Square-Büro in Oakland wurde nicht verschont, wobei ich vermute, dass es bei Glasschäden im Erdgeschoss geblieben ist.
Die Menschen haben die Schnauze voll, vor allem die Schwarzen. Kein Wunder. Wie muss es sich anfühlen, wenn man 2,5 Mal häufiger als Weiße damit rechnen muss, von der Polizei getötet zu werden? Wie muss es sich anfühlen, wenn man Angst um seine Söhne haben muss, wenn sie unterwegs sind—nur wegen ihrer Hautfarbe? Wie muss es sich anfühlen, wenn man mit seinen 7, 8 oder 9-jährigen Kindern Gespräche darüber führen muss, wie sie sich zu verhalten haben, wenn sie mit der Polizei in Berührung kommen, damit sie am Leben bleiben? Sicher, Rassismus ist kein neues Problem—nicht in den USA und auch nicht im Rest der Welt. Aber zu Krisenzeiten, in einer Welt, die polarisiert ist wie nie zuvor, kommen Probleme, die unsere Gesellschafteam liebsten als gelöst abtut, wieder ans Tageslicht.
Für mich als Führungskraft bei Square stellte sich dann schnell die Frage, wie ich persönlich mit der Tötung George Floyds und den Protesten umgehen sollte. Ich schreibe jede Woche eine Top-of-Minds-Email an mein Team. Diese Email geht dann in Kopie an die gesamte Firma. Es ist mir sehr bewusst, dass ich mir als weißer Mann nicht vorstellen kann, was meine schwarzen Kollegen gerade durchmachen. Außerdem bin ich eben als Deutscher sehr anders sozialisiert als meine amerikanischen Kollegen, z.B. was freie Meinungsäußerung angeht. Es ist also allzu leicht sich im Ton zu vergreifen, in einer Email, die an die gesamte Firma geht. Nichts sagen und so tun, als würden meine Gedanken um Lappalien kreisen, während Oakland und San Francisco brennen—das ging aber eben auch nicht. Am Ende nahm ich meinen Mut zusammen, holte mir von unserer Personalabteilung Rat ein und bekannte dann meine Solidarität mit unseren schwarzen Mitbürgern. Es reicht. Die Morde durch die Polizei müssen aufhören. Rassismus hat keinen Platz in unserer Gesellschaft.
Dementsprechend waren wir dieses Wochenende dann auch in Berkeley demonstrieren—friedlich. Wir hatten Schilder gebastelt und marschierten mit Tausenden anderer Menschen, schwarz und weiß, asiatisch und indisch, mexikanisch und wer-weiß-was-auch-immer den Martin Luther King Jr Way hinunter. Black Lives Matter, enough is enough. Vielleicht ist es nur Wunschdenken, aber man könnte denken, es tut sich etwas in diesem Land. Nach der Corona-Krise vergeigt Trump jetzt auch seine zweite Herausforderung, indem er es an Führung vermissen lässt und weiter Öl ins Feuer gießt, anstatt das Land zu einen. Mittlerweile wird er von führenden Militärs kritisiert, seine Zustimmungswerte fallen weiter und Biden führt angeblich mit 11% in den Prognosen zur Präsidentschaftswahl. Eigentlich kann Trump jetzt nur noch eine schnelle Erholung der Wirtschaft retten. Dennoch, unterschätzen darf man ihn nicht: Totgesagte leben bekanntlich länger. Die nächsten 5 Monate bis zur Wahl werden spannend und hässlich bleiben.
Wir lenken uns weiterhin mit unserem Sprinterprojekt ab. Letzte Woche haben wir die Teppicharbeiten abgeschlossen, dieses Wochenende haben wir den ersten Teil der Decke eingebaut. Der Van sieht jetzt schon richtig wohnlich und gemütlich aus. Wir sind zufrieden und überrascht, wie gut uns Alles gelungen ist. Aber wir sind auch müde. Die vielen Stunden Arbeit machen sich bemerkbar. Und auch wenn wir schon viel geschafft haben, wir haben immer noch viel Arbeit vor uns. Daher machen wir nächste Woche nochmal ein langes Wochenende und fahren in die Berge. Einzelne National-Forests sind wieder für Camping geöffnet. Zum Glück sind wir mit unserem Van nicht auf Campingplätze angewiesen. Wir werden uns also ein nettes Plätzchen suchen und dann 4 Tage nur wandern, mountainbiken und in der Natur sein. Vielleicht kommen wir so wieder besser klar, mit der Verrücktheit dieser Welt.
Zeit und Muße
Dieses Wochenende war Memorial-Day-Wochenende, d.h. Der Montag war ein Feiertag. Bei Square haben wir noch einen drauf gelegt und allen Mitarbeitern empfohlen 4 Tage am Stück frei zu machen—als Burnout-Profilaxe. Zuerst habe ich die Aktion noch für etwas übertrieben gehalten, aber je näher das Wochenende rückte, desto klarer wurde mir, dass auch ich längst ein paar freie Tage nötig hatte. Auch wenn die Heimarbeit ganz gut läuft und es uns ansonsten an (fast) nichts fehlt, es braucht einfach Muße und Zeit, um alles zu verarbeiten—das Coronavirus, die Reisebeschränkungen, den Umstand, dass Trump nach wie vor seine Kernwähler hinter sich hat. Und dann kamen noch ein Todesfall im Freundeskreis und ein Herzinfarkt im engeren Familienkreis dazu. Da kommt man mit dem Verarbeiten einfach nicht mehr hinterher. Es ist alles ganz schön krass.
Ich selber habe mich in den letzten Wochen beinahe manisch in die Arbeit gestürzt—nicht einmal so sehr bei Square, sondern an unserem Sprinter. Als wir vor gut 2 Monaten aus Deutschland zurück kamen, hatten wir keinen Esstisch, keinen Kühlschrank und keinen Strom im Van. Die Wände bestanden aus nackten Holzplatten. Seitdem hat sich viel getan: Wir haben unsere ersten Möbelstücke gebaut—den Tisch und einen Schrank—und den Kühlschrank sowie die Truma-Heizung eingebaut. Die Wand entlang der Fahrerseite ist komplett mit Teppich verkleidet. Letzte Woche habe ich unsere neuen Lithium-Batterien installiert und dieses Wochenende habe ich die Solarpanels, den Sicherungskasten und die ersten Verbraucher angeschlossen. Dabei gab es natürlich Höhen und Tiefen, doch ich trieb mich immer weiter voran. Als ich dann das erste Mal den Hauptschalter umgelegte, die Solarzellen dazu schaltete und dann den Kühlschrank, Fan und die USB-Ladebuchsen in Betrieb nahm, war ich nicht nur stolz, sondern auch erschöpft.
Sicher, es war ein unglaubliches Gefühl, zu sehen, wie alles auf Anhieb funktionierte. Monatelang hatte ich die Elektrik geplant und immer wieder überarbeitet. Mit Strom hatte ich es nie so, vor keinem Gewerk (außer dem Gasanschluss) hatte ich einen solchen Respekt wie vor der Elektrik. Zur Feier des Tages tranken wir ein im Sprinter gekühltes Bier, genossen den Luftzug des Fans und rechneten aus, wie lange die Batterien ohne Solar und Lichtmaschine halten würden (ca. 2 Tage, da der Kühlschrank super effizient ist). Und ich war müde. Es fiel alles von mir ab, der ganze Stress der Planung und der Verkabelung. Wieder ein Meilenstein geschafft, aber noch lange nicht fertig. So konnte es nicht weiter gehen. Pace yourself, you’re in it for the long haul!
C war schon lange aufgefallen, dass ich fast obsessiv meine Arbeiten am Sprinter verfolgte und schlug vor, am Montag einen Ausflug zu machen. Also packten wir den Kühlschrank voll, schmierten Brote und fuhren gen Highway 1 mit unserem frisch elektrifizierten Sprinter. Ziel: irgendwo am Ozean Pause machen, aufs Meer schauen und die Seele baumeln lassen. Nur 30 Minuten brauchten wir bis Pacifica, wo wir früher von San Bruno aus öfter surfen waren. Das Virus bringt nicht nur das öffentliche Leben, sondern auch den Verkehr zum erlahmen. Das ist immerhin mal ein Vorteil. Und dann schlängelten wir uns den Highway 1, eine der Traumstraßen dieser Welt hinunter. Allerdings wurde uns schnell klar, dass (a) wir nicht die Einzigen mit dieser Idee waren und (b) fast alle Parkplätze abgesperrt waren. Die Polizei war vorbereitet und wollte vermeiden, dass sich bei 28ºC die Strände füllen würden. Wie auch alle Anderen fanden wir natürlich auch ein Plätzchen, tranken Eistee und Eiskaffee am Strand und hielten die Füße ins kalte Wasser. Nach 2 Monaten im eigenen Heim gab uns der Blick auf den Ozean das Gefühl von Weite, das uns gefehlt hatte.
Irgendwann atmete ich tief durch und spürte die Entspannung. Und nicht nur das, es wurde mir auch bewusst, wie sehr die Schönheit und Lebensqualität Kaliforniens vom Draußensein abhingen. Wenn man nicht vor die Tür kann, ist es auch (beinahe) egal, wo man wohnt. In Kalifornien leben heißt eben auch das traumhafte Wetter genießen, ans Meer fahren, in den Bergen wandern und in der Wildnis zelten. Das alles hat uns schon sehr gefehlt in den letzten Wochen. Gut, dass wir heute einen kleinen Ausbruch aus dem Covid-19-Alltag geprobt haben. Sobald die ersten State-Parks und Campingplätze aufmachen, werden wir nochmal ein paar Tage frei nehmen und in die Natur fahren. Der Sprinter ist schon mal soweit.
Strom!
2 Monate Lockdown, nun machen sich auch in Kalifornien erste Lockerungen breit. Von der Rückkehr zum normalen Leben wie in Deutschland kann allerdings keine Rede sein. Sicher, die ersten Geschäfte haben wieder geöffnet, vor den Supermärkten ist allerdings noch Schlangestehen angesagt. Und allgemeine Maskenpflicht gilt natürlich weiterhin. Wir hoffen darauf, dass wir wenigstens bald wieder campen gehen können—wenn nicht in den Nationalparks, dann irgendwo wild, in einem National-Forest.
Um dann bereit zu sein, arbeiten wir fleißig an unserem Sprinter. Und in den letzten Wochen haben wir viel geschafft. Die Kühlschrankbox, an der wir einige Zeit gebastelt haben, ist jetzt eingebaut. Unten drin steht die Truma-Heizung (nochmal danke und herzlichen Gruß an Martina und Bernie nach Frankfurt), darüber steht der Kühlschrank. Es passt alles Millimeter genau—und sieht top aus. Diese Box ist nicht nur das erste Möbelstück, das wir selber angefertigt haben, sie ist einfach ein richtiger Meilenstein. Wir haben so viel Equipment im Haus stehen, dass wir froh sind, wenn wir Teile fest verbauen können. Die Box selber war relativ schnell fertig, aber das Laminieren und Kantenabschneiden mit der Oberfräse hat ewig gedauert. Die Lernkurve war wieder steil, aber mittlerweile komme ich mit der Fräse gut recht. Nach dem ersten Mal geht alles einfacher.
Aber das wäre noch nicht alles. Letzte Woche habe ich unsere Bordbatterien bestellt: 2x 100Ah Battleborn LiFePO4, made in Reno, Nevada. Wir haben uns im Internet schlau gemacht und dann diese Batterien bestellt, da sie gut verarbeitet sind und sogar etwas mehr Kapazität haben als angegeben. Parallel verkabelt sollten es dann ca. 2,5 KWh bei 12V sein. Im Gegensatz zu konventionellen Bleisäurebatterien können die Battleborn-Batterien vollständig entladen werden, ohne Schaden zu nehmen. Das bedeutet gleiche Kapazität bei halben Gewicht (und halber Anzahl der Batterien).
Nachdem ich schon vor Monaten meinen Elektroplan gezeichnet und dann immer wieder verbessert hatte, war ich natürlich ganz scharf darauf, endlich die Batterien anzuschließen. Diesen Samstag war es dann soweit. Kabel und Sicherungen waren bestellt, also konnte es los gehen. Nach einigen Stunden hatte ich dann tatsächlich “Saft” auf unserem System und der Solarcontroller erwachte auch zum Leben. Natürlich gibt es noch einige Sachen nachzuarbeiten und zu verbessern, aber wir haben endlich Strom im Sprinter!
Wenn man mit Lithium-Batterien arbeitet, steht Sicherheit natürlich an erster Stelle. Ich habe die Kabel grundsätzlich eher überdimensioniert und selbstverständlich mit Sicherungen geschützt. Ein Brand im Van ist das Letzte, was ich erleben möchte. Die Batterien habe ich mit einem Spanngurt gesichert, damit sich nicht herumrutschen können. Nur die Batteriepole hatte ich noch nicht gegen Kurzschlüsse abgesichert, z.B. durch herunterfallende Werkzeuge. Im Internet hatte ich ein Video gesehen, in dem ein Typ mit formbaren Plastik selber Polkappen herstellt. Das fand ich super und musste ich auch probieren. Also Material gekauft (Markenname InstaMorph), Granulat in heißes Wasser (66ºC) gekippt, abgewartet, dann die Plastikmasse zu einem Oval geformt und um die Batteriepole und Kabel geformt. Abgekühlt wird das InstaMorph dann richtig fest und schützt die Pole vor Kurzschlüssen. Und ab bekommt man die selbstgeformten Kappen natürlich auch.
Nächste Woche schließen wir dann unser DC-Panel an und nehmen dann den Kühlschrank in Betrieb. Die Batterien werden dann erstmal mit Solarstrom geladen. Später zapfen wir dann noch die Lichtmaschine an, damit sie auch während der Fahrt geladen werden. Tja, und dann brauchen wir schon neue Meilensteine, weil wir dann unsere Ziele bis zum geplanten Sommerurlaub—Wand, Fahrerseite fertig mit Teppich verkleidet, Tisch, Kühlschrank und Solarstrom bereits erreicht haben. Wir sind stolz über unsere Fortschritte und auch froh, dass wir mit dem Ausbau ein Stadium erreicht haben, an dem man die Fortschritte sofort sieht. Nationalparks, wir kommen!
Möbel bauen
Heute haben wir unsere Kühlschrankbox mit einer kratzfesten, weißen Oberfläche verkleidet. Das war ein gutes Stück Arbeit heute. Ohne meine neue Oberfräse hätten wir keine Chance gehabt. Jetzt fehlt eigentlich nur noch die Wartungsklappe für die Truma-Heizung. Wenn alles gut geht, wird die fertige Box morgen in den Sprinter eingebaut. Drückt uns die Daumen!
Kein Lockerung in Sicht
7 Wochen Quarantäne und keine Lockerung in Sicht. Dennoch, es geht uns gut. Unsere Jobs sind derzeit sicher (und spannend), es fehlt uns an nichts und die Heimarbeit lässt sich immer noch gut ertragen—auch Dank unseres neuen Boules-Sets, das wir jetzt in den Mittagspausen zum Einsatz bringen. Nach anfänglicher Dominanz meinerseits hat C jetzt das Blatt gewendet und zock mich regelmäßig ab.
Dennoch haben wir einiges hinter uns, in den letzten Wochen. Die USA haben mittlerweile über eine Millionen bestätigte Covid-19 Fälle—mehr als jedes andere Land der Welt. Über 60.000 Tote gibt es mittlerweile zu beklagen. Der Gipfel war natürlich der Vorschlag Präsident Trumps, das Virus im Körper mit Desinfektionsmittel oder UV Licht zu bekämpfen. Tolle Idee, welcher aufgeklärte Mensch nimmt so eine Aussage denn für voll? Denkste, die Telefonleitungen der bundesstaatlichen Gesundheitsämter liefen dennoch heiß. Was denn dran sei am Vorschlag, es mal mit Bleichmittel trinken zu probieren, wollten die Anrufer wissen? Da hat man keine Fragen mehr. Seitdem warnen die Chemiefirmen eindringlich. Wir haben unser Bleichmittel stattdessen verwendet, um unsere neue 200l Wassertonne zu desinfizieren, bevor wir sie mit Trinkwasser befüllt haben—als Erdbebenrücklage.
Hier in Kalifornien ist die Lage zum Glück weitgehend ruhig. Es heißt sogar, es gäbe jetzt mittlerweile genügend Tests. Überall werden jetzt Masken getragen, auf der Straße und in den Geschäften. Man nimmt das Virus ernst, und wir sind da keine Ausnahme. Diese Woche wurde die Shelter-in-Place-Order bis Ende Mai verlängert. Die Schulen machen vor den Sommerferien erst gar nicht mehr auf. Das ist natürlich hart für berufstätige Eltern, die jetzt ihre Kinder auch noch zu Hause unterrichten müssen, aber es ist eben auch konsequent.
Wir machen einfach das beste daraus und akzeptieren, dass wir im Großen und Ganzen nichts an der aktuellen Situation ändern können. Auch wenn uns manchmal zu Hause die Decke auf den Kopf fällt, wir kommen immerhin sehr gut mit unserem Sprinter-Ausbau voran. Da die Tool-Library immer noch geschlossen hat, musste ich mir kurzerhand neue Werkzeuge kaufen. Ich nenne jetzt eine Kappsäge, eine Handkreissäge und eine Oberfräse mein Eigen. Damit gehen die Arbeiten jetzt aber auch unter der Woche weiter. Das erste Möbelstück, der Schrank für die Truma-Heizung und den Kühlschrank, ist beinahe fertig. Außerdem haben wir diese Woche fast die gesamte Fahrerseite mit Teppich verkleidet. Der Teppich macht unseren Camper richtig gemütlich—so gemütlich, dass wir am Mittwoch einfach ans Wasser gefahren sind und kurzerhand von dort gearbeitet haben. Wenn wir jetzt noch Solarstrom und Lithium-Batterien hätten… darum kümmere ich mich als nächstes.
Wie schön wäre es, wenn wir mit unserem Sprinter einfach in die Berge fahren könnten, etwas der phantastischen kalifornischen Weite genießen könnten. Und so hoffen wir auf den Juni—darauf, dass es auch in Kalifornien langsam erste Lockerungen geben wird. Wenn es soweit ist, werden wir bereit sein.
Corona-Mast
Wir sind jetzt seit fast vier Wochen wieder zu Hause in Kalifornien. Unsere zweiwöchige Selbstquarantäne haben wir mittlerweile ohne Symptome und Probleme hinter uns gebracht. Offenbar haben wir uns auf der Rückreise nicht mit dem Coronavirus infiziert. Im Alltag macht das allerdings keinen Unterschied, denn in Kalifornien praktizieren wir weiterhin „schelter in place“. Und wie geht es uns damit?
Noch fällt uns die Decke nicht auf den Kopf. Die Heimarbeit klappt dank moderner Kommunikationstechnologien besser als erwartet. Wir schaffen es auch ganz gut, abends einfach aufzuhören. Ich habe unseren alten Schreibtisch im Wohnzimmer aufgebaut und meinen Monitor und Bürostuhl von Square abgeholt. Zusammen mit der 1Gb Glasfaserleitung bin ich fast so produktiv wie im Büro. C genießt es, mich den ganzen Tag bei sich zu haben. Etwaige Beziehungskiller haben wir bisher routiniert umschifft. Vor zwei Wochen haben wir uns gegenseitig die Haare geschnitten. C hat es natürlich super gemacht, aber ich hatte Bammel—für mich war es das erste Mal Haare schneiden überhaupt. C redet aber immer noch mit mir. Es ist mir also offensichtlich ganz gut gelungen
Ansonsten leben wir mehr oder weniger wie Gott in Frankreich. Wir gehen einmal die Woche einkaufen, stets mit Mundschutz und Handschuhen. Beides liegt mittlerweile voll im Trend. Leider haben die Schlangen, insbesondere vor Berkeley Bowl, dramatisch zugenommen. Da sind jetzt mehrere hundert Meter locker drin. Dafür werden die Einkaufswagen am Eingang vor jedem neuen Kunden desinfiziert. Sind wir erstmal drin (und nicht einfach stattdessen zu Trader Joe’s gefahren) leisten wir uns, worauf wir Lust haben. Dann wird die ganze Woche lecker zu Hause gekocht und dann mit Bier oder Wein geschlemmt. Wir nennen das Ganze jetzt einfach Corona-Mast: viel leckeres Essen und wenig Bewegung. Komischerweise habe ich seit Weihnachten dennoch 2kg abgenommen. Vielleicht ist es der Stress?
Kontakt halten wir mit unseren Freunden vor allem über Zoom, FaceTime, etc. Das funktioniert ganz gut. Jetzt finde ich es komisch, dass ich seit Jahren Bildtelefonie im Büro nutze, aber noch nie darauf gekommen bin, Gruppenmeetings mit Freunden zu machen. Interessant ist auch, dass wir jetzt mehr Kontakt mit unseren deutschen Freunden haben. Statt in der Kneipe treffen die sich jetzt auch über Zoom und Co, und da kann man uns natürlich einfach mit einladen.
Am besten ist allerdings, dass die Arbeiten am Sprinter wieder vorangehen. Derzeit schaffen wir sogar Manches unter der Woche, da die Heimfahrt aus dem Büro entfällt. Letztes Wochenende haben wir die Schiebetür fertig gemacht, d.h. isoliert und dann mit Holzpanels und Teppich verkleidet. Das waren unsere ersten Gehversuche mit dem Stretch-Teppich aus England, den wir eigens letztes Jahr importiert hatten. Dieses Wochenende war dann unser vorläufiges Meisterstück an der Reihe. Wir haben die Fahrerseite des Wohnzimmers fertiggemacht. Wir haben eine ca. 4qm große Fläche rund um das große Seitenfenster einem einzigen Stück Teppich verkleidet. Wir haben die Gummidichtung des Fensters abgenommen, und dann wieder über den Teppich gesetzt, damit man keinen Übergang sieht. Ebenso an der Deckenverkleidung und der Plastikverkleidung an der Tür. Es ist einfach super geworden. Ich bin nicht nur zufrieden, sondern auch etwas stolz. Zum Schluss habe ich noch eine USB/12V Buchse montiert, an der man irgendwann seine Geräte laden kann. Außerdem haben den Rohling für unseren Tisch gebaut und werden diese Woche die Schiene montieren. Dann ist unsere Sitzecke schon fast fertig. Toll, wenn man den eigenen Fortschritt nach getaner Arbeit so gut sieht!
Es geht uns also gut. Wir haben Sozialkontakte, wir essen gut und der Sprinter nimmt Formen an. Am wichtigsten ist aber, dass wir uns weiterhin gut verstehen und uns nicht gegenseitig auf den Sack gehen. Wir halten also noch eine Weile durch!
Lokal einkaufen
Wir sind jetzt seit vier Tagen wieder in Kalifornien und haben uns mit der Ausgangssperre gut arrangiert. Der Kühlschrank ist voll, wir müssen weder verhungern, noch rationieren. Stattdessen versuchen wir uns etwas vom Dauerthema COVID-19 abzulenken. Während ich diese Zeilen schreibe, macht C eine Happy-Hour-Videokonferenz mit ihren ehemaligen Kollegen von Siemens. Man trifft sich auf ein Bier—virtuell eben. Zoom macht es möglich, Kneipenhintergrundbild inklusive.
Ansonsten haben wir angefangen, uns damit auseinander zu setzen, wie wir unseren Lieblingsläden helfen können. Bars, Restaurants, fast alle Läden sind zu—das bedeutet Existenzängste bei Kleinunternehmern. Not macht aber auch im Jahre 2020 immer noch erfinderisch. Unsere Lieblingsbrauerei verkauft jetzt Bier per Vorbestellung im Internet. Man bestellt und fährt dann zur Brauerei, wo man die Bestellung (in 1l Dosen) in Empfang nimmt. Das ist erlaubt. Natürlich können so die Umsatzeinbußen, die durch den Verlust des Ausschankgeschäfts entstehen, nicht ersetzt werden. Aber schließen muss die Brauerei eben auch nicht. Das macht Hoffnung. Und Hoffnung treibt die Menschen dazu an, weiter zu machen.
Ähnlich sieht es bei unserem Weinhändler in Oakland aus. Dort nimmt man es mit dem Verkaufsverbot nicht so genau—der Laden war geöffnet. Im Grunde genommen gilt aber dasselbe Prinzip: Wein per Weinabo oder Telefon bestellen, im Internet bezahlen und dann vor Ort abholen. Interaktionen mit dem Verkäufer entfallen damit fast vollständig, womit auch der Anordnung, Kontakte zu meiden genüge getan wäre. Auch hier dürfte gelten: Die Laufkundschaft wird nicht zu ersetzen sein, aber das Geschäft geht weiter. Ich möchte nicht, dass diese kleinen Läden pleite gehen, und Andere sehen das offenbar genauso. Ob es reicht, was wir tun, werden wir sehen. Wir unterstützen auf jeden Fall weiterhin unsere lokalen Unternehmen. Nächste Woche bekommen wir wieder unsere Gemüsebox, direkt vom Bauern.
Nebenan wird gelacht, während ich mein Bier von Novel Brewing austrinke. Caro und ihre ehemaligen Kollegen verstehen sich auch per Videokonferenz bestens. Auch in Selbstisolation muss man nicht auf Sozialkontakte verzichten. Man muss nur kreativ werden—so wie C.
