Die Digitalen
Es ist lange überfällig, aber ich möchte Euch, lieben Lesern, auf diesem Wege auch noch frohe Weihnachten wünschen! Wir haben die Weihnachtszeit auch dieses Jahr am Lake Tahoe verbracht, mit wesentlich weniger Schnee und in einer deutlich bescheideneren Bleibe als letztes Jahr, aber dafür ohne Zoff.
Stattdessen hatten wir Besuch von Julia und Jan, den Digitalen. Ihren Spitznamen haben die beiden daher, dass sie stets voll vernetzt und immer mit ordentlich digitalen Zubehör unterwegs sind. Zu Weihnachten haben sie sich allerdings zurück gehalten und brachten es auf bloß 2 Tablets und 3 Mobiltelefone – guter Durchschnitt also. Mit den Digitalen waren wir 5 Nächte am Tahoe und verbrachten die Tage mit Skifahren, Wandern und Skilanglauf, wobei ich zugeben muss, dass die Schneeverhältnisse die um 10% erhöhten und jetzt $105 teuren Skipässe kaum gerechtfertigt haben. Egal, dafür hat das Wetter mitgespielt und wir hatten jeden Tag strahlenden Sonnenschein und herrliche Blicke auf den See. In unserer Ferienwohnung gab es nach getaner Freizeitausübung Feuerzangenbowle und Fontane-Punsch. Auf manche Traditionen will man ja auch in der Ferne nicht verzichten.
Apropos Traditionen: Überhaupt hatten die Digitalen sehr genaue Vorstellungen davon, wie Weihnachten zu laufen hatte. So konnten wir Julia z.B. nur mir Mühe davon überzeugen, dass unserer Weihnachtsbaum nicht von San Bruno zum Lake Tahoe mitreisen müsse. Als es allerdings darum ging, ob an Heiligabend eine Weihnachtsmesse angebracht sei, zog ich den Kürzeren gegen unsere beiden Süddeutschen Gäste. Weihnachten und Kirche hatten 36 Jahre lang keinen praktischen Zusammenhang für mich, aber am 24.12.2013 saß ich mit C und den Digitalen in einer Lutheran Church und sang Stille Nacht auf Englisch. Besonders erwähnenswert fand ich außerdem, dass der Gottesdienst sehr digital mit einer Rekapitulation der Weihnachtsgeschichte als Trickfilm auf einem Fernseher begann und dann die letzten 5 Minuten vor Erscheinen des Pastors als Countdown herunter gezählt wurden. Die Messe wurde dann vom iPad abgelesen. Offenbar sind die Protestanten hier in den USA sehr modern. Lobenswert fand ich zudem, dass der Pastor die versprochenen 45 Minuten Gottesdienst nicht überzog und uns pünktlich dem gemütlichen Teil des Abends überließ.
Zum Abendmahl gab es dann Käsefondue, denn 50% der Digitalen sind Vegetarier. Die Bescherung war an sich relativ schnell erledigt, da C und ich uns darauf geeinigt hatten, dass wir uns nicht beschenken. Allerdings hatten wir in weiser Voraussicht um 16 Uhr in einem kleinen Krämerladen in Tahoe City noch schnell ein paar Geschenke für die Digitalen besorgt. Zum Glück, denn die traditionellen Digitalen hatten ihrerseits haufenweise Gaben mitgebracht und uns sogar ein Buch mit Weihnachtsliedern geschenkt – ich behaupte, damit es gar keine Diskussion geben konnte, ob auch noch gesungen werden musste. Und so sangen wir beschaulich im Kerzenschein Ihr Kinderlein Kommet – und zwar alle sechs Strophen.
Square Weihnachtsfeier, Teil 2
Für die neugierigen Frühaufsteher unter Euch, die es kaum erwarten können den zweiten Teil unseres verrückten Wochenendes zu lesen, haue ich heute etwas früher in die Tasten. Es ist jetzt kurz vor 6 Uhr in Deutschland. Zeit für den Rest der Geschichte.
Um es gleich vorweg zu nehmen: Der Sonntagmorgen nach der Weihnachtsfeier war grauenhaft und unerbittlich. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich mich das letzte Mal so schlecht gefühlt habe – und C ging es noch deutlich mieser. Eigentlich hatte ich mich ausschließlich an den Champagner gehalten. Als die Quelle versiegte folgten erst Bier und dann, mangels Alternativen, doch die harten Sachen. Wir hatten Schädel wie nach einer einsamen Nacht mit einem Kasten Pilsator und konnten uns nicht dazu bringen aufzustehen, bis…
Ja, bis C plötzlich ihre Handtasche vermisste. Samt Inhalt versteht sich. Da wären unter anderem iPhone, Kreditkarten, Ausweis, etc. zu nennen. Ich sprang also auf, mit dem festen Glauben die Tasche in irgendeiner Ecke zu finden. Dem war aber nicht so. Nur gut, dass es von Apple eine Funktion für solche Fälle gibt. Find my iPhone zeigt den Standort des vermissten Geräts ziemlich genau auf einer Karte an. Nur dumm, dass C die Funktion nicht aktiviert hatte, was an Ironie und Dramatik nicht zu überbieten war.
So blieben uns nach reiflicher Betrachtung der Geschehnisse, an die wir uns noch erinnern konnten nur zwei Möglichkeiten: Entweder C hatte die Tasche auf der Veranstaltung liegen lassen oder in unserem Taxi. Zum Glück hatten wir ein Uber genommen und unsere Fahrt war im Internet verzeichnet. Leider gestaltete es sich als nicht trivial, die Kontaktdaten des Fahrers ausfindig zu machen. Aber siehe da, über einen Link auf den FAQ wurden mir die Telefonnummern meiner letzten drei Fahrer angezeigt. Damit konnte ich arbeiten. Ein erster Anruf blieb erfolglos, meine SMS wurde aber tatsächlich nach etwa einer halben Stunde beantwortet. Die Tasche sei gefunden worden und in guten Händen. Der Finder schieb weiter, er befände sich den ganzen Nachmittag in der Kirche und sei abends zum Familienessen verabredet. Ich drängte freundlich auf ein Treffen, egal wo, und so fuhren wir abends (zum Glück war ich wieder fahrtüchtig) nach Richmond in die East Bay. Dort besorgten wir eine Dankeskarte, legten eine Spende hinein und trafen den älteren mexikanischen Herrn, der uns in der Nacht vorher nach Hause gebracht hatte. Die Tasche sei unversehrt, er habe sich nur über das Klingeln in seinem Auto gewundert, erzählte er uns. Und so endete unser dritter Advent nach der Übergabe auf dem Parkplatz vor Macy’s bei In ‘N’ Out mit einem Kater-Burger. Ende gut, alles gut.
Square Weihnachtsfeier, Teil 1
Sollte es noch irgendwelche Zweifel gegeben haben, dass wir nicht nur in Kalifornien angekommen, sondern es hier geschafft haben, so wurden diese gestern Abend auf der Square Weihnachtsfeier endgültig zerstreut. Wow. Was für eine Party. Berauschend, gigantisch, extravagant. Einfach unvorstellbar. Und mit einem dramatischen Ende.
Aber beginnen wir von vorne. Die Party fand in San Francisco in einem mehrstöckigen Backsteingebäude mit Atrium statt. Eine schicke Location verdient natürlich dementsprechend gut gekleidete Gäste. Abendgarderobe war angesagt und so erschienen auch wir im feinen Zwirn – und zwar standesgemäß mit Chauffeur. Ja, Ihr lest richtig. Wir ließen uns zu Hause von einer schwarzen Limousine abholen und zur Veranstaltung bringen. Uber macht es möglich. Da wussten wir noch nicht, was uns an diesem Abend blühen würde, aber es hatte schon etwas magisches, als die Lichter der Stadt vor uns auftauchten.
Vor Ort wurden wir dann mit Champagner, Häppchen und Jazz begrüßt. Eine Liveband sorgte auf der Bühne für Stimmung, während wir das riesige Gebäude erkundeten. Auf jeder Etage gab es Bars, Buffets und Fotoecken, wo wir uns natürlich auch fotografieren ließen. Es wurden Pac-Man und Mario Kart an Vintage-Computern gespielt und wir gönnten uns eine Runde Tischtennis. Um 21 Uhr kam dann der große Auftritt von Jack Dorsey. Er wirkte fast etwas alleine auf der riesigen Bühne, als er, wie immer ganz in schwarz gekleidet, seine Rede hielt. Er sprach davon was Square in diesem Jahr erreicht hatte, bedankte sich bei seinen Mitarbeitern und zitierte den Papst, dessen Kritik am Finanz-Kapitalismus er sich anschloss. Er wurde von uns gefeiert und mit Beifall bedacht wie der Popstar, der er ist. Dann ging das Licht aus und auf zwei riesigen Leinwänden wurde ein Jahresrückblick als Rap-Video projiziert – produziert von unserem Video-Team. Alle blickten nach oben, außer C, die sich zu mir wandte, lächelte und nur sagte: “Du hast geschafft. Das ist unglaublich hier und wir sind mittendrin”.
Dann begann die Party. Irgendwann war der Champagner alle, dann das Bier, dann gab es nur noch die harten Sachen. Plötzlich begrüßte Jack einen Square Investor der ersten Stunde: MC Hammer (ja, der “Can’t Touch This” MC Hammer) übernahm das DJ Pult, spielte aber keinen einzigen seiner Songs. C war völlig aus dem Häuschen und ich musste Fotos machen. Es gab mehr zu trinken, die ersten Pumps wurden ausgezogen (ich nehme an vor Schmerzen), es wurde getanzt und um 2 Uhr morgens ließen wir uns wieder von einer schwarzen Limo abholen. Wahrscheinlich seid Ihr schon selber darauf gekommen, dass es zu viel zu trinken gab. Es kam aber noch schlimmer. Am Morgen vermisste C plötzlich ihre Handtasche, mit Geld, Kreditkarten und Handy. Was dann geschah lest Ihr morgen!