Seattle
Das erste Mal seit unserer Abreise aus Berlin letztes Jahr schreibe ich mal wieder einen Blogeintrag in der Luft. Vor 10 Minuten ist meine Alaska Airlines Boeing 737 in Seattle gestartet, um mich nach San Bruno zu bringen – nach Hause. Ich habe eine Nacht und den heutigen Tag in Seattle verbracht. Warum? Hier gibt es zwei große Softwarefirmen und bei einer davon würde ich garantiert nicht arbeiten wollen. Ich habe also den Tag nicht in Redmond, sondern bei Amazon verbracht. Vor ein paar Wochen hat mich ein Recruiter auf LinkedIn angesprochen und nach zwei Telefoninterviews wurde mich eine Reise nach Seattle angeboten. Warum also nicht? Die Interviews heute waren leichter als gedacht, dennoch lief nicht alles glatt. Aber ich höre auf, Euch zu langweilen.
Seattle ist eine coole Stadt. Auf unserem unglaublichen Roadtrip nach Vancouver im Februar letzten Jahres sind C und ich bereits hier vorbei gekommen – vorbei an der Boeing Fabrik, wo die erstgebaute 747 steht. Damals hat es nur für einen kurzen Stop im REI Flagship-Store (auf Deutsch sagt man wahrscheinlich Hauptsitz) und für einen Abstecher zu Patagonia gereicht. Gestern und heute war für Shopping keine Zeit. Ich bin am Donnerstagabend um 17.30 Uhr in Seattle gelandet und habe mich erstmal ganz standesgemäß per Taxi zu meinem Luxushotel bringen lassen – Amazon hat mich ja eingeladen. Das Hotel war echt der Kracher und ziemlich nobel. Draußen scherte sich eine Menschentraube um einen roten Tesla Model-S. Offenbar sieht man die hier nicht so häufig wie in der Bay Area (hüstel). Egal, ein tolles Auto bleibt ein tolles Auto.
Nachdem ich mein Zimmer bezogen und etwas auf dem Bett entspannt hatte, machte ich mich daran die Stadt zu erkunden. Weit musste ich nicht laufen, denn mein Hotel befand sich im Stadtzentrum. Seattle liegt fast zwei Flugstunden nördlich von San Francisco und es heißt das Wetter sei nicht das allerbeste. Der viele Regen, der die Stadt im Winter heimsucht hat offenbar dazu geführt, dass Steinhäuser statt Holzhäuser überwiegen. Ähnlich wie in Portland geben diese der Stadt ein gewisses Ostküsten-Flair – ganz anders als San Francisco. Ich hatte übrigens zwei Tage nur Sonne in Seattle. Viel laufen macht hungrig und so kehrte ich dann im Purple ein, einer Weinbar, die mir zwei meiner Kollegen empfohlen hatten. Nachdem ich per iMessage mit C Rücksprache gehalten hatte, entschied ich mich dann für die Lobster Mac and Cheese und gegen die ebenfalls hochgelobten Pork Chops. Und in einer Weinbar trinkt man zum Essen…? Richtig, Wein! Nach zwei Gläsern und einem Schokodessert plus Dessertwein war ich zwar $70 ärmer, hatte aber die passende Bettschwere. Kein schlechter Tausch, zumal Essen und Wein sehr gut waren. Dennoch werde ich mich wohl nie daran gewöhnen, alleine in einem Restaurant zu essen. Was hat man bloß früher ohne Telefon gemacht, mit dem man sich die Zeit vertreiben konnte?
Der heutige Tag wurde natürlich von den Interviews bei Amazon bestimmt. Interviewen ist echt krass anstrengend in diesen Hightech-Firmen. Stundenland geht es immer hin und her, aber dafür bekommt man einen Einblick in die Intimsphäre solcher Firmen. Anders als bei Google oder Microsoft gibt es bei Amazon keinen Campus im Grünen, sondern das Imperium von Jeff Bezos erstreckt sich über stinknormale Bürogebäude in der Innenstadt von Seattle. Ohne Chipkarte geht gar nichts. Überall gibt es gläserne Schranken, an denen man nicht vorbei kommt, wenn man sich nicht ausweisen kann. Als Gast muss immer ein Mitarbeiter dabei sein, sonst läuft man Gefahr von den Sicherheitskräften zur Strecke gebracht zu werden. Nee im Ernst: Die sind alle total nett und wollen natürlich nur spielen – wie der Golden Retriever, der schnell in der Mittagspause von seinem Amazonfrauchen auf dem Grünstreifen ausgeführt wurde. Wie damals bei Google beschleicht mich die Erkenntnis, das solche Firmen eine Welt für sich sind – mit Cafés und der entsprechenden Mentalität.
Die dicken Amis neben mir trinken übrigens Bier und Wodka. Nicht schlecht, das könnte ich mir jetzt auch gönnen, aber ich warte lieber bis ich zu Hause bin. Dieses Wochenende wird es noch genug Suff geben, denn es ist ja mal wieder Ostern in Kalifornien. Das kann folgerichtig nur eines heißen: ab zu Katy und Phil, mit Toby spielen, Margaritas im Hottub trinken, die Ruhe genießen, am Sonntag Eier suchen und jede Menge Nachos mit Käse essen.