Voll Vernetzt
Gut, dass ich meinen Wehrdienst damals bei den Fernmeldern geleistet habe. Letztes Wochenende haben wir nämlich vor allem damit verbracht, unser Haus zu verkabeln—mit Ethernet-Kabeln. Ihr fragt Euch womöglich, ob es in den USA kein schnelles WLAN gibt, oder warum man sich im Jahre 2020 noch die Mühe machen sollte, meterweise Netzwerkkabel zu verlegen. Dafür hatten wir gleich mehrere Gründe.
Zuallererst haben wir seit einigen Monaten eine Glasfaserleitung von Sonic, die uns eine theoretische Bandbreite von 1Gb für Up- und Downloads beschert. Ich erinnere mich noch gut an die Standleitung an der TU Berlin, die damals mit 100 Mb rasend schnell war. Unser Verbindung zu Hause ist jetzt 10 mal so schnell und da kommt WLAN einfach nicht mehr mit. Für die volle Leistung bedarf es also Netzwerkkabel. Zweitens haben wir mit dem Solarinverter und der Tesla-Batterie Geräte am Haus, die Daten in Echtzeit senden können, aber entweder kein WLAN unterstützen (Inverter) oder manchmal mit der Verbindung aufgrund der Reichweite ihre Probleme haben (Tesla-Gateway). Da ist feste Verkabelung eine feine Lösung. Drittens beginnt in wenigen Wochen unser erstes großes Projekt des Jahres: Unser Haus wird energetisch aufgewertet. Fußböden und Dachstuhl werden isoliert, versiegelt und wir tauschen unsere Propangasheizung gegen eine moderne und effiziente Wärmepumpe aus. Und daher dachte ich mir, dass wir besser die Netzwerkkabel legen, bevor diese Maßnahmen durchgeführt werden.
Glücklicherweise sind solche Kabelprojekte in den Holzhäusern Kaliforniens an sich keine große Sache. Die Kabel werden entweder im Dachstuhl oder unter dem Haus, das in der Regel auf Stelzen steht, verlegt. Nachdem wir aus den Rigipswänden Rechtecke für die neuen Netzwerkdosen herausgeschnitten hatten, bohrten wir mit einem ca. 50cm langen, flexiblen Bohrer durch das Loch in der Wand ein Loch durch den Fußboden. Dadurch zogen wir dann die Kabel, C oben und ich unten. Ich kroch mit den Kabeln unter dem Haus herum, führte sie dann durch weiter Löcher in den Schrank im Flur, wo sie dann in einer sogenannten Patch-Bay zusammen kommen. Natürlich musste alles seine Ordnung haben, also fixierte ich die Kabel mit Nägeln an den Stützbalken des Hauses und sorgte auch für Zugentlastung. Für das Quetschen der Kabel in die Netzwerkdosen und Patch-Bay war dann C zuständig, die dafür weitaus mehr Geduld aufbrachte als ich.
Natürlich ging bei der Ausführung nicht alles so glatt, wie gerade beschrieben. Manche Löcher musste ich mehrfach bohren, einmal riss uns ein Kabel, mal war eine Bohle im Weg. Insgesamt verbrachte ich mehrere Stunden unter Tage und im Dachstuhl, denn wir hängten unseren WLAN-Empfänger zwecks besserer Reichweite an die Decke. Strom hatte ich, ebenfalls durch den Dachstuhl, schon eine Woche vorher in den Schrank gelegt. Ich schätze, dass wir ca. 15h in die Verkabelung gesteckt haben. Dabei sind die Geräte draußen noch nicht angeschlossen. Dennoch sind wir zufrieden. Wir haben jetzt eine bessere WLAN-Abdeckung im Haus und C hat im Arbeitszimmer jetzt Übertragunsgraten von mehr als 500Mbit/s. Um noch schneller zu werden, muss ich unseren Router ersetzen.
Das Projekt ist also noch nicht beendet. Da wir mittlerweile einige IoT (Internet of Things) Geräte haben, also Geräte, die mit dem Internet verbunden sind—vom Tesla Model S, über das Nest-Thermostat, die Hausbatterie, die Solaranlage, etc.—kann neben dem Router eine Firewall nicht schaden. Man muss es Hackern ja nicht einfacher als nötig machen, sich in unsere kaum geschützten Hausgeräte reinzuhacken. Gleichzeitig wollen wir aber auch nicht mehr darauf verzichten, die Heizung per Internet anzuschalten oder in Echtzeit Zugriff auf die Daten unserer Solaranlage zu Hause zu haben. So oder so, die schwierigste Arbeit ist getan, die Kabel sind verlegt. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob das quetschen neuer Netzwerkkabel, um die Computer an die Netzwerkdosen anzuschließen, nicht noch mehr Zeit in Anspruch nehmen wird. Bis man diese feinen Adern alle fein sortiert in die Kunststoffstecker gesteckt bekommen hat, dauert es. Da hilft auch keine Fernmeldeausbildung.
So viel also zu unserem Wochenende. Zu guter Letzt möchte ich jetzt noch meinen Vater grüßen und ihm alles Gute zu seinem 75. Geburtstag wünschen. Falls Ihr das gerade lest und nicht an ihn gedacht habt, dann ruft jetzt lieber schnell an!