Play, Eat, Hike
In den letzten Wochen haben wir viel erlebt. Zuerst habe ich Slash mit seiner Band (featuring Miles Kennedy and the Conspirators) live in San Francisco gesehen. Früher, als Guns N‘ Roses richtig die größte Rockband der Welt waren, war ich kein besonders großer Slash Fan. Heute muss ich zugeben: Ich habe mich geirrt und er kann es immer noch. Seine Soloalben sind klasse und mittlerweile hat er so viel Material, dass nur ein einziger Guns N‘ Roses Song im Programm war: Nightrain. Das Konzert war großartig und hat mich nebenbei daran erinnert, dass ich, bei allem Chef-sein, immer noch ein Rocker bin. Am Tag drauf musste ich unbedingt mit Lederjacke und schwarzer Jeans ins Büro. Dieses Konzert war gut für die Seele!
Am Wochenende haben wir endlich die Markise unseres Vans fertig eingestellt und dann auch gleich ausprobiert. Damit ist das Dach des Sprinters endlich fertig. Auch wenn sich das Eichhörnchen mühsam nährt: Wir kommen Schritt für Schritt voran mit unserem Sprinter-Ausbau.
Am Sonntag drauf flogen wir nach Seattle, um Sven und Nikki zu besuchen (und etwas zu arbeiten, denn ich habe ein Team dort). Dummerweise war Sven auf Bereitschaft und musste mal eben noch ein (leeres) Flugzeug nach Salt Lake City fliegen, so dass wir uns erst wieder zum Abendessen sahen. Nikki allerdings zeigte uns Seattle und ich muss sagen: bei Sonnenschein ist diese Stadt einfach ein Traum. Direkt am Wasser gelegen, von Bergen umringt—ein solches Panorama haben nur wenige Städte zu bieten. Dazu kommt, dass Seattle ebenso liberal ist wie San Francisco. Wieso bei Sonnenschein? Es halten sich hartnäckige Gerüchte, Seattle sei im Winter grausam. Andauernd solle es nieseln, die Sonne zeige sich kaum und gehe früh unter. Meiner Meinung nach ist Seattle dennoch ein absoluter Geheimtipp—C und ich waren uns einig: Hier könnten wir auch leben. Sven und Nikki waren phantastische Gastgeber und fuhren unter anderem Lammbraten à la sous vide auf. Dabei wird das Fleisch bei geringer Temperatur, ca. 50°C, für 36-48h im Wasserbad gegart und danach mit einem Brenner kross angebraten. Ich muss sagen, das Fleisch war unglaublich zart—ein echtes Erlebnis.
Und wenn man so richtig in Schwung ist, kann man ja auch gleich richtig durchziehen. Kaum waren wir wieder zu Hause, wurden auch schon wieder die Sachen gepackt. Am Mittwoch war ich noch arbeiten, am Donnerstag ging es in den Yosemite. 4 Tage backpacken standen auf dem Programm. In der Gegend um Wawona waren wir noch nie, jetzt standen wir am Anfang des Chilnualna Falls Trails. Es war schon Nachmittag, weswegen unsere erste Etappe kurz ausfallen würde. Knapp 5 Meilen hinauf in die Berge zum Wasserfall hinaufsteigen, Zelt aufbauen und die erste Nacht in der Wildnis verbringen. Wir waren uns nicht sicher, wie fit wir tatsächlich waren, aber als es dann los ging, fanden wir schnell unseren Rhythmus. Trotz des Gepäcks—neben Zelt, Klamotten, Schlafsäcken und Kochausrüstung trugen wir auch Essen für 3,5 Tage in einem Bärkanister und eine Tüte Rotwein mit uns herum—erreichten wir unser Ziel in ca. 2,5h. Dort warteten ein wunderbarer Wasserfall mit Pool auf uns. Nach dem Baden gab es noch Gewitter, aber unser Zelt hielt uns auch in der Nacht trocken.
Am nächsten Tag stand dann die erste Härteübung an. 8,2 Meilen (13km), immer bergauf zum Royal Arch Lake. Über 1.000 Höhenmeter sollten wir am Ende der ersten beiden Tage in den Beinen haben. Das Schlimmste allerdings waren die Mücken. Eine solche Plage habe ich in meinem Leben noch nicht erlebt. Zu dieser Jahreszeit ist es im Yosemite Frühling—die Schneeschmelze ist im finalen Stadium. Überall waren Wiesen überflutet, schlängelten sich kleine Bäche—perfekte Brutbedingungen für Moskitos. Und sie kamen zu Hunderttausenden, wenn nicht Millionen. Am schlimmsten war es den Seen, an denen wir vorbei kamen. Kaum blieben wir stehen, fielen die Mücken über uns her. Wir sprühten, wir rannten, wir schlugen um uns, aber wir entkamen ihnen nicht. Am Royal Arch Lake waren wir müde und emotional platt. Warum tut man sich so etwas an? Der See allerdings war traumhaft gelegen, in mitten eines Bergpanoramas. Nach einem ausgiebigen Bad waren wir dann auch wieder frisch und besserer Laune. Dennoch flohen wir nach Einbruch der Dunkelheit vor den Moskitos ins Zelt.
Am Morgen beschlossen wir, den ursprünglichen Plan umzusetzen und hinauf zum Buena Vista Lake zu wandern, anstatt einfach umzukehren. Das bedeutete allerdings ein Tagespensum von 12 Meilen (19km). C hatte sich zwar Blasen gelaufen, aber die Pflaster hielten. Und jetzt kam die Königsetappe. Den Pass erreichten wir relativ zügig, wobei wir auch zur Kenntnis nehmen mussten, dass den Mücken die Höhe nichts auszumachen schien. Am Buena Vista Lake machten wir Pause und genossen die wunderbare Aussicht. Von hier hatte man einen phantastischen Ausblick auf Half Dome und Teile des Yosemite Valley. Ich ertappte mich dabei, wie ich dachte: „Nur 17 Meilen bis ins Tal? Das kann man ja in zwei Tagen schaffen“. Draußen in der Wildnis geht die Uhr anders. Ab jetzt ging es nur noch bergab, bis zu einem steilen Ziehweg, der uns wieder auf den Pfad zu den Chilnualna Falls brachte. Wir mobilisierten die letzten Kräfte, aßen noch ein paar von Cs selber gebackenen Müsliriegeln und gingen weiter. Gegen 17 Uhr hatten wir unser Ziel erreicht. Cs Fersen allerdings waren hinüber. Sie hatte sich den ganzen Tag über mit riesigen Blasen gequält. Im letzten Sonnenschein badeten wir unter dem Wasserfall, kochten unser letztes Abendessen in der Wildnis und schliefen im Getöse des Wasserfalls—jeder mit einem Ohrstöpsel, da C ihre verloren hatte.
Noch ein Wort zu unserer Verpflegung. C hatte alle Mahlzeiten vorbereitet und abgepackt—wir hatten kein Fertigessen dabei. Es gab Polenta mit (getrockneten) Pilzen und Thunfischersatz (aus Tofu), wunderbare Mac and Cheese mit selbstgemachtem Sriracha-Bacon und Thai-Nudelsuppe mit getrockneten Krabben und Erbsen. Von wegen man muss beim Rucksack-Campen auf gute Verpflegung verzichten. Wir speisten wie die Könige, C seid Dank. An den ersten zwei Tagen gab es sogar Rotwein zum Essen. Das Wasser filterten wir unterwegs aus Seen und Flüssen. Das alles ist im Hochgebirge der Sierra Nevada Luxus pur!
Nach 4 Tagen und 30 Meilen (48km) waren wir am Ziel, zurück am Auto. Wir hatten den großen Loop geschafft und C ersehnte ihre Flipflops herbei. Bären und Berglöwen haben wir nicht zu Gesicht bekommen—zum Glück. Vor der Heimreise schauten wir uns noch die Giant Sequoias in der Mariposa Grove an. Allerdings hatten wir nicht mehr die Muße, den ganzen Fußweg zu gehen. Irgendwann ist man dann auch mal genug gelaufen.