Neulich auf dem Spielplatz

  • Beitrags-Autor:
  • Beitrags-Kommentare:0 Kommentare

Gestern waren wir mit Enzo auf einem der zahlreichen Spielplätze in Berkeley. Er liebt es zu schaukeln und den anderen Kindern beim Spielen zuzusehen. Beim Schaukeln kamen wir natürlich schnell mit dem Vater des Kindes auf der Schaukel neben Enzo ins Gespräch. Sein Junge war deutlich älter und schaukelte wilder und höher, als Enzo es sich traut. Während Enzo uns freudestrahlend angrinste, erzählte der Vater, dass er und seine Frau auch ein Baby hätten. Es sei aber noch sehr klein und fange gerade erst an, seine motorischen Fähigkeiten zu entwickeln. Er zeigte auf die Wiese und ich sah seine Frau und das kleine Mädchen, das gerade mal eben den Kopf in Bauchlage heben konnte. Wie alt mag das Baby sein, fragte ich mich, während er die Frage dann ungefragt beantwortete: „Sie ist auch erst fünfeinhalb Monate alt“. Fünfeinhalb Monate, dachte ich, so wie Enzo? Während ich meine Gedanken für mich behielt, platzte es einfach aus C heraus: „Unser Kleiner ist auch fünfeinhalb Monate alt“. Der Vater verschluckte sich sichtbar an seinem Getränk. „Wow, echt? Krass, und der schaukelt schon. Wow, gut gemacht. Das gibt’s ja nicht.“ 

Nein, das gibt es in der Tat nicht. Natürlich sind alle Eltern stolz auf ihre Kinder. Allerdings ist es schon unglaublich, wie schnell sich Enzo entwickelt. Er hat diese Woche angefangen zu krabbeln (wenn auch noch etwas unbeholfen), trinkt selbständig Wasser aus dem Strohhalm (seiner Kinderflasche) und stopft sich schon mit den Händen Banane, Broccoli und (vor allem) Brot in den Mund. Er dreht sich mühelos aus der Bauch- in die Rückenlage (und umgekehrt). Unser Kindermädchen schwört, er sei seiner Zeit und den anderen Kindern weit voraus und werde bald in seinem Bettchen aufstehen. Natürlich sehen wir auch, was Enzo schon alles kann, aber es ist eben für uns normal, weil wir keine Vergleichswerte haben. Das änder sich natürlich schlagartig, wenn wir andere Kinder auf dem Spielplatz beobachten. Und so sind wir natürlich stolz auf Enzo, wenn es mir auch etwas peinlich war, dem anderen Vater im direkten Vergleich vorzuführen. Mal sehen, ob Enzo in dem Tempo weiter macht.

Deutscher

  • Beitrags-Autor:
  • Beitrags-Kommentare:0 Kommentare

Am Samstag war ein großer Tag für Enzo und auch für uns: seine deutschen Geburtsurkunden sind in Berkeley angekommen. Damit ist Enzo jetzt offiziell auch deutscher Staatsbürger, auch wenn er noch keinen Pass hat. Leider sind die Termine am Konsulat bis auf Weiteres ausgebucht, aber irgendwann holen wir das auch noch nach. C und ich haben dennoch etwas mit Enzo gefeiert­­—wir ganz deutsch mit Bier und er mit Wasser—wobei ich das Gefühl hatte, er war sich der Tragweite dieses Ereignisses noch nicht so bewusst. Mit seinem amerikanischen Pass und der deutschen (und europäischen Staatsbürgerschaft) hat Enzo den 6er plus Superzahl im Lotto des Lebens gewonnen. Er wird frei entscheiden können, ob er in Europa oder Nordamerika leben und arbeiten möchte. Wenn man bedenkt, wieviele Flüchtlinge versuchen nach Europa oder die USA zu kommen, ist das ein unschätzbares Privileg, das ihm in die Wiege gelegt wurde. So hart man auch arbeitet, so sehr man auch seine Chancen nutzt, im Endeffekt entscheidet kaum etwas so sehr über den persönlichen Erfolg im Leben, wie wo man geboren wurde. Enzo hatte Glück. Wir hatten Glück. Und wir tun gut daran, uns auf öfter einmal daran zu erinnern.