Jetzt also doch: Amerikaner

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Seit gestern sind wir alle drei amerikanische Staatsbürger.  Als wir vor fast 13 Jahren nach Kalifornien gekommen sind, hätte ich mir niemals vorstellen können, dass wir uns tatsächlich einbürgern lassen könnten. Warum auch? Wir fühlten uns als Deutsche und der deutsche Pass ermöglichte uns freies Reisen und Arbeiten innerhalb der EU. Aber nach 12 Jahren in den USA sind wir halt eben nicht mehr nur Deutsche. Und obwohl Deutsch nach wie vor die Familiensprache ist—und auch die erste Sprache unseres Sohnes—sind wir eben hier zu Hause. Enzo hat seit Geburt die doppelte Staatsbürgerschaft. Jetzt haben wir sie alle.

Anfangen müsste diese Geschichte allerdings mit der Staatsangehörigkeitsreform, die die Bundesregierung anfangs des Jahres beschlossen hat und die im Juni in Kraft getreten ist. Denn erst dadurch ist es überhaupt möglich, als Deutscher zwei Pässe unterschiedlicher Nationen zu haben. Während in der Presse (und im Bundestag) vor allem über Migration und Fachkräftemangel diskutiert wurde, war für uns viel wichtiger, dass Deutschland mit dem neuen Staatsangehörigkeitsgesetz eben auch den Weg zur doppelten Staatsbürgerschaft für Deutsche frei machen würde. Davor war ein Antrag auf Beibehaltung (der deutschen Staatsangehörigkeit) in Einzelprüfung Pflicht. Dementsprechend beobachteten wir—wie sicherlich zahlreiche andere Auslandsdeutsche—die Entwicklung des Gesetzes ganz genau. As dann im Juni alles klar war, beantragten wir die amerikanische Staatsbürgerschaft, die Einwanderern mit ständigem Wohnsitz nach 5 Jahren ermöglicht wird.

Der Antrag an sich war einfach und vollständig digital zu erledigen. Natürlich mussten wir eine Bearbeitungsgebühr bezahlen und einige Dokumente hochladen, aber dann war alles erledigt und die Bürokratie nahm ihren Lauf. Ursprünglich sollte der Vorgang 7 Monate dauern und wir befürchteten schon, ein neuer Präsident könnte unserer Einbürgerungsurkunde unterschreiben. Dann ging aber doch alles ganz schnell. Innerhalb von 3 Monaten bekamen wir unsere Interviewtermine in San Francisco. Dann hieß‚ es lernen, um den Einbürgerungstest zu bestehen. Es galt 100 Fragen zu Werten, Verfassung, Geschichte und aktuellem politischen Geschehen beantworten zu können.

Gestern war es dann soweit. Das USCIS-Büro in San Francisco war schmucklos und dem Ereignis nicht angemessen. Nach dem Metalldetektor und der Anmeldung fand ich mich in einem großen Warteraum wieder—ohne C, denn sie hatte einen separaten Termin 30 Minuten nach meinem. Irgendwann wurde ich aufgerufen und von einer asiatischen Amerikanerin (wir sind ja nahezu alle Einwanderer hier) in ein dröges Büro geführt. Die Tür blieb offen und wir führten etwas Small-Talk. Unter anderem war es jetzt ihre Aufgabe, meine Sprachkenntnisse zu überprüfen. Da wollte ich gar nicht erst irgendwelche Zweifel aufkommen lassen. Dann begann der Einwanderungstest. Die Frau stellte mir 6 Fragen aus dem 100-Fragen-Katalog, die ich alle richtig beantwortet. Damit war die erste Hürde genommen. Als nächstes musste ich einen Satz der auf einem iPad vor mir erschien laut vorlesen. Damit war der Lese-Test geschafft. Zuletzt musste ich dann schreiben: „The President lives in the White House“. Damit war auch die letzte Prüfung geschafft. Ich kann nicht behaupten, dass ich nervös war vor diesem Termin. Stattdessen musste ich an unsere Führerscheinprüfung in Watsonville vor 12 Jahren denken. Wir kamen mit dem eigenen Auto, das wir mit unseren deutschen (und internationalen) Führerscheinen fahren durften. Und egal, ob wir bestehen würden oder nicht: Diesen deutschen Führerschein würde uns auch niemand abnehmen. So ähnlich fühlte ich mich vor dem Einbürgerungstest: Den deutschen Pass würde mir niemand abnehmen, wenn ich noch so verkacken sollte. 

Daran war aber in der Praxis nicht zu denken. Der ganze Test war eher simpel—a piece of cake, wie meine (neuen) Landsleute zu sagen pflegen. Danach galt es nur noch ein paar Fragen zu beantworten, die man von der Einreise in die USA zu Genüge kennt, und ich bekam meinen Bescheid. Meinem Antrag auf Einbürgerung wurde stattgegeben. Ich nahm die ersten Glückwünsche entgegen und bekam einen Umschlag mit Dokumenten und einer kleinen amerikanischen Flagge. Der nächste Schritt war der schwierigste: ich musste meine Green-Card abgeben. Dann galt es zu warten auf die offizielle Zeremonie. Also steckte ich C die letzten Information vor ihrer Prüfung und wartete dann unten im beigen Saal auf sie. Und ich wartete… und wartete… und wartete… bis sie endlich kam. Ein Computerproblem hatte das Interview verzögert und beinahe dazu geführt, dass sie die letzte Zeremonie des Tages verpasst hätte.

Nun ging es auch schon los. Wir bekamen ein Video mit Joe Biden zu sehen, der uns beglückwünschte und als neue Staatsbürger begrüßte. Zum Schluss mussten wir dann einen Eid ablegen, darauf dass wir die Gesetze der USA achten, notfalls dem Land dienen und—vor allem—jegliche Loyalität zu anderen Herrschern und Nationen aufgeben würden. Und dann waren wir Amerikaner. Wir machten noch schnell ein paar Fotos und trugen uns ins Wählerverzeichnis ein. Denn im November wird ja bereits gewählt. Danach hatten wir noch etwas Zeit, also gönnten wir uns zur Feier ein deutsches Bier im deutschen Biergarten. Als Weltbürger mit doppelter Staatsangehörigkeiten wissen wir eben die Vorzüge beider Nationen zu schätzen. Zu Hause wurde dann ganz amerikanisch mit Burger und Tater-Tots gefeiert.

Und wie fühlt es sich jetzt an, Deutscher und Amerikaner zu sein? Ich kann ich es noch nicht wirklich beschreiben, denn so richtig gefallen ist der Groschen noch nicht. Einerseits ist es nicht die ganz große Nummer, die es für viele andere Einwanderer auf weniger wohlhabenden Ländern ist. Die Latinos feierten gestern schon ausgiebig auf den Fluren der Einwanderungsbehörde. Andererseits bin ich schon auch stolz. Wir haben viel erreicht hier in Kalifornien. Und ich habe ein Viertel meines Lebens in den USA verbracht. Natürlich sind die Vereinigten Staaten von Amerika nicht perfekt—welcher Staat ist das schon? Aber die amerikanische Idee—alle Menschen sind gleichwertig und bekommen hier eine Chance—kann ich ohne Bedenken unterstützen. Morgen beantragen wir unsere blauen Pässe.