Vor zwei Wochen ist ein Schwarzer durch Polizeigewalt zu Tode gekommen—wieder einmal. Aber dieses Mal ist alles anders. Die Wut und Frustration über Pandemie, Arbeitslosigkeit und die mangelnde Empathie des Präsidenten entlud sich nicht nur in friedlichen Protesten, sondern Plünderungen und gewalttätigen Auseinandersetzungen mit den Ordnungskräften. Und wir sind irgendwie mittendrin. In Berkeley war die Lage zwar relativ ruhig, die Auswirkungen der Gewalt waren dennoch überall sichtbar. Mehrere Läden, unter anderem unser Trader Joe’s, waren komplett verrammelt, die Schaufenster durch Sperrholzplatten geschützt. Man richtete sich auf Plünderungen ein, trotz Ausgangssperre. In Oakland und Emeryville sah die Lage dann deutlich düsterer aus. Dort wurden mehrere Geschäfte ausgeräumt und verwüstet—darunter auch zahlreiche Autohäuser. Selbst das Square-Büro in Oakland wurde nicht verschont, wobei ich vermute, dass es bei Glasschäden im Erdgeschoss geblieben ist.
Die Menschen haben die Schnauze voll, vor allem die Schwarzen. Kein Wunder. Wie muss es sich anfühlen, wenn man 2,5 Mal häufiger als Weiße damit rechnen muss, von der Polizei getötet zu werden? Wie muss es sich anfühlen, wenn man Angst um seine Söhne haben muss, wenn sie unterwegs sind—nur wegen ihrer Hautfarbe? Wie muss es sich anfühlen, wenn man mit seinen 7, 8 oder 9-jährigen Kindern Gespräche darüber führen muss, wie sie sich zu verhalten haben, wenn sie mit der Polizei in Berührung kommen, damit sie am Leben bleiben? Sicher, Rassismus ist kein neues Problem—nicht in den USA und auch nicht im Rest der Welt. Aber zu Krisenzeiten, in einer Welt, die polarisiert ist wie nie zuvor, kommen Probleme, die unsere Gesellschafteam liebsten als gelöst abtut, wieder ans Tageslicht.
Für mich als Führungskraft bei Square stellte sich dann schnell die Frage, wie ich persönlich mit der Tötung George Floyds und den Protesten umgehen sollte. Ich schreibe jede Woche eine Top-of-Minds-Email an mein Team. Diese Email geht dann in Kopie an die gesamte Firma. Es ist mir sehr bewusst, dass ich mir als weißer Mann nicht vorstellen kann, was meine schwarzen Kollegen gerade durchmachen. Außerdem bin ich eben als Deutscher sehr anders sozialisiert als meine amerikanischen Kollegen, z.B. was freie Meinungsäußerung angeht. Es ist also allzu leicht sich im Ton zu vergreifen, in einer Email, die an die gesamte Firma geht. Nichts sagen und so tun, als würden meine Gedanken um Lappalien kreisen, während Oakland und San Francisco brennen—das ging aber eben auch nicht. Am Ende nahm ich meinen Mut zusammen, holte mir von unserer Personalabteilung Rat ein und bekannte dann meine Solidarität mit unseren schwarzen Mitbürgern. Es reicht. Die Morde durch die Polizei müssen aufhören. Rassismus hat keinen Platz in unserer Gesellschaft.
Dementsprechend waren wir dieses Wochenende dann auch in Berkeley demonstrieren—friedlich. Wir hatten Schilder gebastelt und marschierten mit Tausenden anderer Menschen, schwarz und weiß, asiatisch und indisch, mexikanisch und wer-weiß-was-auch-immer den Martin Luther King Jr Way hinunter. Black Lives Matter, enough is enough. Vielleicht ist es nur Wunschdenken, aber man könnte denken, es tut sich etwas in diesem Land. Nach der Corona-Krise vergeigt Trump jetzt auch seine zweite Herausforderung, indem er es an Führung vermissen lässt und weiter Öl ins Feuer gießt, anstatt das Land zu einen. Mittlerweile wird er von führenden Militärs kritisiert, seine Zustimmungswerte fallen weiter und Biden führt angeblich mit 11% in den Prognosen zur Präsidentschaftswahl. Eigentlich kann Trump jetzt nur noch eine schnelle Erholung der Wirtschaft retten. Dennoch, unterschätzen darf man ihn nicht: Totgesagte leben bekanntlich länger. Die nächsten 5 Monate bis zur Wahl werden spannend und hässlich bleiben.
Wir lenken uns weiterhin mit unserem Sprinterprojekt ab. Letzte Woche haben wir die Teppicharbeiten abgeschlossen, dieses Wochenende haben wir den ersten Teil der Decke eingebaut. Der Van sieht jetzt schon richtig wohnlich und gemütlich aus. Wir sind zufrieden und überrascht, wie gut uns Alles gelungen ist. Aber wir sind auch müde. Die vielen Stunden Arbeit machen sich bemerkbar. Und auch wenn wir schon viel geschafft haben, wir haben immer noch viel Arbeit vor uns. Daher machen wir nächste Woche nochmal ein langes Wochenende und fahren in die Berge. Einzelne National-Forests sind wieder für Camping geöffnet. Zum Glück sind wir mit unserem Van nicht auf Campingplätze angewiesen. Wir werden uns also ein nettes Plätzchen suchen und dann 4 Tage nur wandern, mountainbiken und in der Natur sein. Vielleicht kommen wir so wieder besser klar, mit der Verrücktheit dieser Welt.