Wir haben es geschafft: Wir sind geimpft. Seit heute dürfen alle Kalifornier ohne Einschränkungen gegen COVID-19 geimpft werden. Schon seit Wochen haben wir uns über Impfzentren und Terminvergabe informiert. Als dann letzte Woche die ersten freien Termine verfügbar wurden, haben wir gleich zugeschlagen.
Es wurde auch langsam Zeit, denn gefühlt waren wir die „Einzigen“, die noch nicht geimpft waren. Die USA impfen seit Monaten was das Zeug hält und Berkeley ist ganz vorne mit dabei. 50% der Menschen hier haben bereits eine Impfung bekommen. Auch viele unserer Freunde hatten entweder bereits eine übriggebliebene Dosis ergattert, oder bei der Terminvergabe einfach etwas geschwindelt. Seit einigen Wochen nämlich konnte man hier in Kalifornien bereits mit einer Vorerkrankung oder als Lehrerin, Feuerwehrmann, Kinderbetreuer, etc. geimpft werden. Überprüft wurden die Angaben nicht, weshalb es Viele offenbar nicht so genau mit der Wahrheit nahmen—obwohl die Falschaussage als Meineid mit mehreren Jahren Gefängnis bestraft werden konnte. Mir war das, als Führungskraft in einer börsennotierten Firma, zu heikel. Also warteten C und ich brav, bis wir an der Reihe waren und buchten dann unseren Termin. Die erste Überraschungen folgte sogleich: Ein seltsames Glücksgefühl stieg in mir empor, beinahe Euphorie. Eigentlich kein Wunder, nach einem Jahr Lockdown (Kalifornien macht erst jetzt wieder richtig auf) und Arbeit von zu Hause. Überrascht hat es mich dennoch.
Ist das der Anfang auf dem Weg zurück in die Normalität? Was ist eigentlich noch normal? Geht es zurück ins Büro? Fahre ich dann wieder mit der Bahn nach Oakland und San Francisco? Geht man wieder auf Konzerte und stürzt sich in Menschenmassen? Oder hat das Virus uns Alle nachhaltig verändert? Diese Fragen habe ich in den letzten Wochen verdrängt. Aber als wir den Impftermin in den Händen hielten, spielten sie sich ganz schnell in den Vordergrund. Plötzlich frage ich mich, ob ich überhaupt wieder ins Büro zurück will—jeden Tag auf jeden Fall nicht! Die Kaffeepausen und das gemeinsame Mittagessen mit C werden mir fehlen. Es ist irre, nach einem Jahr zu Hause solche Gedanken zu haben. Aber ein Jahr, das reicht eben schon um zur Normalität zu werden. Ich weiß nicht, was die Zukunft bringt, wie wir arbeiten werden, was so wird wie früher und was nicht, aber ich freue mich auf den nächsten Schritt. Ein Jahr Lockdown, das reicht.
Und so machten wir uns heute Nachmittag gegen 15:45 Uhr auf den Weg nach Albany ins Impfzentrum. Dieses war, ganz amerikanisch, natürlich als Drive-In ausgelegt. Vorfahren, Termin mit QR-Code vorzeigen, Termin-ID laut vorlesen (wozu also der QR Code?), Personalausweis vorzeigen, weiter zum nächsten Checkpoint, warten, dann vorfahren zur Impfung. Dort warteten zwei junge Frauen auf uns, die sich zu unserer Freude nach etwas Überzeugungsarbeit auch dazu bereit erklärten, die Impfung in unseren deutschen Impfpässen einzutragen. Es dauert noch 5 Minuten, bis neue Spritzen mit dem BioNTech Impfstoff (hier allgemein als Pfizer vaccine bezeichnet) geliefert wurden, aber dann konnte es los gehen. Ärmel hoch, zack Spritze rein und das war es dann schon. Wir mussten noch 20 Minuten vor Ort warten, um sicherzugehen, dass es zu keinen anaphylaktischen Schocks kommen würde und dann war alles erledigt.
Und jetzt? Es sieht gut aus. Zwar steigen auch in den USA die Fälle wieder, aber die Inzidenz in Kalifornien ist—trotz des Öffnens—weiterhin niedrig. Es könnte uns also tatsächlich gelingen, die nächste Welle einfach weg zu impfen. Wir blicken optimistisch in die Zukunft! Noch ein Wort nach Deutschland, wo man noch nicht so weit ist: Ich weiß, das Hickhack um Astra Zeneca und die andauernden Kehrtwenden der Politik (wir verfolgen alles) sind frustrierend. Aber auch bei Euch nimmt die Impfkampagne an Fahrt auf. Gestern 700.000 Impfungen sind ein großer Schritt—in Kalifornien schaffen wir maximal 500.000 am Tag. Es hat schleppend angefangen, kann aber jetzt schnell gehen. Haltet durch!