Liebe Freunde und Familie, eigentlich gibt es einiges zu berichten, z.B. von unserem Urlaub letzte Woche, der heißen Phase des Wahlkampfs, oder unserem Abstecher nach San Luis Obispo und Santa Barbara vor ein paar Wochen. Aber vor allem bewegen uns derzeit die Waldbrände in Kalifornien.
Heute Morgen 9 Uhr: Es ist zappenduster. Über der Bay Area liegt ein Rauchteppich, der die Sonne verdunkelt und sie daran hindert, den Tag zu erhellen. In 8 Jahren Kalifornien haben wir so etwas noch nicht erlebt. Es ist fast wie während einer Sonnenfinsternis, beinahe wie an einem Wintertag in Deutschland, an dem es nicht hell werden will. Die Dunkelheit ist beklemmend. Die Tiere spielen verrückt, und auch wir kommen kaum in die Gänge. Nachmittags wird es etwas heller, aber der Tag bleibt dunkel. Schuld sind die zahlreichen Waldbrände, die Kalifornien seit Wochen heimsuchen. Menschliche Nachlässigkeit und ein trockenes Gewitter—eine Seltenheit in der Bay Area—haben sie verursacht.
Und auch die nächsten Tage soll es nicht besser werden. Starke Winde haben die Asche aufgewirbelt und sie in hohe Luftschichten transportiert. Jetzt bleibt nur warten, bis die Schwerkraft die Aschepartikel gen Boden zieht. Mit etwas Glück nehmen die Winde zu und bringen uns frische Meeresluft. Nach einigen Tagen Hitzewelle und Windstille währe das eine Erleichterung für uns alle hier. Wir waren letzte Woche in Oregon unterwegs und haben den Großteil des Dramas zu Hause verpasst. Aber während wir Rauch und Feuer größtenteils umfahren konnten, blieb uns am Montag nichts anderes übrig, als stundenlang durch die graue Suppe zu fahren—von Mt. Shasta bis nach Hause. Irgendwie hatte ich erwartet, dass uns wie üblich an der Küste blauer Himmel und frische Luft erwarten würden. Stattdessen liegt alles in einem dichten Nebel, die Golden Gate Bridge genauso wie Berkeley.
Das Alles ist natürlich ungemein frustrierend. Nicht nur, weil wir nach 6 Monaten Pandemie jetzt bei mieser Luft und Rauch zu Hause sitzen und das Haus kaum verlassen können, sondern auch weil unser geliebtes Kalifornien brennt. Glaubt mir, es tut in der Seele weh, zu sehen, wie dieser Bundesstaat unter der Trockenheit leidet. Wer nicht an den Klimawandel glaubt, sagte unser Gouverneur beim demokratischen Kongress, der solle nach Kalifornien kommen. Es sind die schwersten Brände aller Zeiten, die uns gerade heimsuchen. Dabei hat die Waldbrandzeit eigentlich noch gar nicht begonnen. Wer wird hier auf absehbare noch Zeit leben können? Auf unserer Heimfahrt haben wir abgebrannte Häuser bei Vacaville gesehen—und noch wesentlich mehr „for sale“ Schilder. Wir leiden mit, und sind deprimiert.
Unser altes Leben existiert schon seit Monaten nicht mehr. Wir können nicht verreisen, nicht zur Arbeit gehen und unsere Freunde nicht sehen. Jetzt kommen noch die Waldbrände dazu. Bleibt nur zu hoffen, dass 2020 damit sein vernichtendes Potential erschöpft hat. Uns zieht es in einer Woche erstmal nach Berlin—eigentlich, um Familienangelegenheiten zu erledigen, aber womöglich auch, um etwas Normalität zu erleben. Kalifornien, wir weinen um Dich. Berlin, wir freuen uns auch Dich!