Aus der Traum
Schluss. Das wars. Aus der Traum vom Endspiel für die USA. Ihr werdet es nicht glauben, aber vor dem Spiel wurde mir mehrfach prophezeit, dass Deutschland und die USA sich im Endspiel wieder gegenüber stehen würden. Das war wohl nichts. Belgien war heute einfach zu stark, obwohl die Amis durchaus ein paar Riesenchancen hatten – dazu einen bärenstarken Torhüter.
Ich befürchte damit ist es auch vorbei mit der phasenweise großen Begeisterung für die Fußballweltmeisterschaft. Mehrere hundert Kollegen (inklusive Jack Dorsey) schauten sich heute gebannt das Spiel an und fieberten mit ihrer Mannschaft. Jede vereitelte Torchance der Belgier und jedes Abgrätschen wurde frenetisch beklatscht. In bester Südländermanier wurden nichtgeahndete “Fouls” beklagt und Karten gefordert. Kein Wunder, wir sind hier ja auch ganz schön weit im Süden. Kurzum: endlich waren Emotionen im Publikum, wie im Spiel. Wir waren ja schon bei einigen amerikanischen Sportereignissen, aber die Emotionen, die wir vom Fußball kennen, habe ich dort vermisst. Vielleicht macht das den Fußball für die Amerikaner so unergründlich, obwohl sich heute alle einig waren, ein starkes und spannendes Spiel gesehen zu haben – auch ohne Tore in der regulären Spielzeit. Still wurde es nach dem ersten Treffer der Belgier. Die Hoffnung starb erstaunlich schnell. Ich war der einzige, der darauf hinwies, dass noch 30 Minuten zu spielen seien. Beim zweiten Treffer stand knapp die Hälfte der Zuschauer auf und ging zurück an die Arbeit. Und verpasste damit wahrscheinlich die stärkste Phase ihrer Mannschaft, die sich mit aller Macht gegen die drohende Niederlage stemmte und noch den Anschlusstreffer schaffte. Die Amerikaner können stolz sein, auch wenn sie sich insgeheim mehr erhofft hatten. Und für die Belgier, die ihr Talent haben aufblitzen lassen, war es nicht leicht, wie auch für die Brasilianer, die Argentinier, die Holländer und die Deutschen.
GER 2:1 ALG
Krasses Spiel, krasser Tag. Der begann für mich um 9 Uhr vor einer leeren Kaffeebar. Einer der beiden Baristi (diesmal habe ich richtig konjugiert) hatte verpennt – dummerweise derjenige, der um 8 Uhr Schichtbeginn hatte. Also öffneten wir erst um 9:10 Uhr und hatten jede Menge Bestellungen nachzuliefern. Außerdem gab es neue Bohnen, so dass der Mahlgrad und die Brühzeit neu justiert werden mussten. Zu meinem eigenen Erstaunen bemerkte ich rasch, dass wir den Mahlgrad zu grob gewählt hatten. Der Espresso floss einfach zu schnell durch. Wahnsinn, was man in einer Woche lernen kann.
Krasser Tag auch deshalb, weil mir heute alles weh tut, denn ich war am Wochenende das erste Mal seit dem Abitur mal wieder richtig Fußball spielen. Ein Kollege hatte eine Mixed-Freizeitmannschaft zusammengetrommelt und mich überredet mitzumachen. Das erste Spiel ohne mich vor zwei Wochen ging mit 1:5 verloren. Gestern standen gleich zwei Spiele auf dem Programm und wir wollten natürlich gewinnen. Am Spielfeld war ich erstmal überrascht: Außer mir und zwei Mädels hatten sämtliche Spieler und Spielerinnen richtige Fußballschuhe mit Stollen zu bieten. Der Ehrgeiz war dementsprechend. Das erste Spiel ging mit 0:2 verloren. Ich hatte drei gute Chancen, aber das Quäntchen Glück fehlte beim Abschluss. Der ist auch nicht gerade einfach, wenn man auf winzige Hockey-Tore spielt – ohne Torhüter. Die Regeln waren etwas aufgeweicht, bzw. amerikanisiert: Grätschen verboten. Ich bin ja nicht unfit, aber nach 4 Sprints merkte ich mir selber die 36 Jahre doch schon an. Viel laufen und kämpfen wollte ich, aber selbst auf dem halben Feld werden die Wege lang. Heute habe ich Muskelkater, von den Waden hinauf zu den Oberschenkeln, über Rücken und Bauch hinauf zu den Schultern – überall. Spaß hat es trotzdem gemacht und das zweite Spiel haben wir mit 5:1 gewonnen.
Krass war heute auch das Achtelfinale gegen Algerien. Respekt, die Algerier haben viel besser gespielt, als die Statistik besagt. Einige wenige Kollegen haben mit mir gelitten und Deutschland angefeuert, obwohl die Mannschaft sich sehr schwer getan hat. Aber das habt Ihr ja alle selber gesehen. Gegen Frankreich muss ein anderer Wind herrschen, sonst ist Endstation. Auch wenn Manuel Neuer wieder herrlich den Libero spielt. Immerhin habe ich das erste Tor angekündigt, indem ich meinen linken und rechten Sitznachbarn direkt vorher ein Bier versprochen habe – im Falle eines Treffers. Dafür habe ich mir bei einem Konter so richtig auf die Lippe gebissen und sehe jetzt so aus, als hätte mich eine Gruppe Algerier vermöbelt. Hoffentlich gibt es beim Spiel gegen Frankreich kein blaues Auge.
Mein Leben als Barista
Am Dienstagmorgen um 9 Uhr hat mein neues Leben begonnen: Ich bin jetzt Barista-Azubi an der Square Kaffeebar. Bis Anfang August werde ich 4h in der Woche, jeweils eine Stunde von Montag bis Donnerstag, Kaffee servieren und dabei alles über Espresso und Milchschaum lernen.
Bisher habe ich einen Riesenspaß. Unsere beiden professionellen Bariste sind angetan von meiner Begeisterung und haben mir schon viele Tips und Tricks verraten. Ich habe gelernt wie man den Mahlgrad und die Wassermenge einstellt, um möglichst konstante Ergebnisse zu erzielen. Ich kann am Kaffeefluss erkennen, ob alles passt, oder nachjustiert werden muss. Und ich habe gelernt, in welchen Phasen die verschiedenen Geschmacksstoffe aus den gemahlenen Bohnen gelöst werden – was durchaus sichtbar ist. Überhaupt geht es vor allem um Konstanz. Jeder Kunde muss den bestmöglichen Espresso serviert bekommen, auch unter Zeitdruck. Daher konzentriere ich mich in der ersten Woche aufs Mahlen, Andrücken, und Durchlaufen lassen, bevor ich dann nächste Woche vielleicht auch lernen werde, wie man richtigen Milchschaum und damit Cappuccino und Latte Macchiato macht. Jetzt habe ich nur noch das Problem, dass ich jeden Tag vor Augen geführt bekomme, wie viele Möglichkeiten die professionellen Siebträger-Espressomaschinen bieten. Da kann unser Jura-Vollautomat einfach nicht mithalten – weder vom Geschmack, noch von den Einstellmöglichkeiten her. Egal, wie sagt man hier? First world problems.
Morgen um 9 Uhr muss die Kaffeebar allerdings ohne mich auskommen. Deutschland gegen die USA, das wird sicher ein heiß umkämpftes Spiel. Nach dem Unentschieden gegen Ghana sehen meine Kollegen die Amerikaner bereits im Vorteil. Und tatsächlich sind schon so viele europäische Mannschaften nach Hause gefahren wie lange nicht mehr. Ich kann mir dennoch nicht vorstellen, dass wir morgen verlieren oder gar ausscheiden und tippe daher auf ein Unentschieden. Schlaaaaaaand!
Die erste Klapperschlange
Seit gut 2 Jahren leben wir jetzt in Kalifornien und wir haben bisher weder ein Erdbeben miterlebt, noch Bekanntschaft mit einem der gefährlichen Tiere hier gemacht. Bis heute.
Der heutige Sonntag war einfach super. C und ich haben einen Tagesausflug nach Santa Rosa gemacht und waren mit unserer Campingbekanntschaft Sarah im Annadel State Park Mountainbiken. Die Wege im Park waren super, aber auch enorm anspruchsvoll. Haufenweise Steine, steile Kurven und enge Gassen verlangten C und mir technisch alles ab, während Sarah und ihre Freundin Noëlle richtig Gas gaben. Beim Klettern hielten wir dagegen locker mit. Gut 3h waren wir im Park unterwegs und strampelten bei herrlichem Sonnenschein mal an Redwoods und mal an goldenen Feldern vorbei.
Auf den letzten Metern war es dann soweit. Wir überholten mit relativ hohem Tempo zwei Jogger, als ich mitten auf dem Weg eine dunkelgraue Klapperschlange erblickte. Ihr Körper war mindestens 5cm dick und der helle Schwanz senkrecht aufgerichtet. Gerade wegen des Schwanzes bin ich mir absolut sicher, dass es sich um eine Klapperschlange gehandelt hat. Leider hat außer mit niemand die Schlange gesehen! Unglaublich, wir waren zwar schnell unterwegs, aber so schnell? Ich dachte noch kurz an die beiden Jogger hinter uns, als ich an der Schlange vorbei brauste – heilfroh, auch dem Fahrrad zu sitzen.
Am Samstag haben wir uns natürlich das Deutschlandspiel gegen Ghana angesehen, stilecht in einem Biergarten mit Freunden. Ja, das Spiel war unglaublich spannend und gute Unterhaltung, aber ich hätte natürlich nicht gedacht, dass die Afrikaner uns so unter Druck setzen würden. Andererseits wären die Spanier, die Engländer und die Italiener mit einem Unentschieden zufrieden gewesen. Fazit: Es gibt offenbar keinen Topfavoriten bei dieser WM und unser Schicksal entscheidet sich am Donnerstag ausgerechnet gegen die USA. Ist ja klar für wen wir halten.
Weltreisende
Die WM läuft gut, wir können uns nicht beklagen: Spanien raus, England so gut wie raus. Jetzt muss nur noch jemand die Italiener schlagen, damit sie uns nicht wieder zum Verhängnis werden. Unser Tippspiel läuft auch super, zumindest für mich. Noch ist mein Vorsprung komfortabel, aber C hat diese Woche schon ein paar Punkte gut gemacht. Es gilt also dran zu bleiben, falls nicht nicht bald ein 3-Gänge-Menü kochen möchte.
Wir haben gerade zum zweiten Mal dieses Jahr Besuch. Anton und Sarah sind auf Weltreise – sie etwas mehr als er. Sarah ist seit 10 Monaten in Asien, Australien und Gott-weiß-noch-wo unterwegs, während Anton sich seit 3 Monaten in Südamerika herum treibt. Auf jeden Fall haben sie natürlich einiges erlebt und dementsprechend viel zu erzählen. Aber vor allem haben sie die Ruhe weg. Ausschlafen, die Tage auf sich zu kommen lassen und einfach machen, worauf man Lust hat. Bloß nicht stressen lassen oder sich verbiegen. Das klingt doch sehr verlockend, obwohl mein Leben hier in Kalifornien ja auch nicht von schlechten Eltern ist. Vielleicht muss ich so etwas auch einmal machen, einfach für ein paar Monaten Reisen und die Welt sehen. C wird es auf jeden Fall gerne hören.
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