Es ist schon Abend, als wir in Austin ankommen. Bevor wir unsere Airbnb-Bude beziehen, machen wir noch einen kurzen Schlenker durch Downtown. Es ist unübersehbar, dass die größte Musik- und Filmkonferenz der Welt, South by Southwest (SXSW), gerade in Austin stattfindet. Die Stadt ist voll. Überall sind Menschen unterwegs, zu Fuß, auf Fahrrädern und in Fahrradrikschas. Nur einer macht es anders: Ein waschechter texanischer Cowboy reitet auf seinem Schimmel über die Congress Avenue Bridge – auf dem Bürgersteig.
Unter der Brücke hat sich eine Kolonie von Fledermäusen niedergelassen. Wir gesellen uns zu anderen Schaulistigen und warten darauf, dass sie ihre Höhlen verlassen, um Jagd auf Insekten zu machen. Kurz nach Sonnenuntergang ist es soweit: In großen Gruppen schießen die Fledermäuse durch die Luft. In welcher Großstadt gibt es denn so etwas? Unsere Unterkunft ist klein und mit allerhand Klimbim dekoriert, der Vermieter ist allerdings sehr nett. Er hat Frühstück besorgt: Milch, Müsli und Obst. Dazu noch einen Sixer Bier, falls wir mögen. Zum Abendessen gibt es eine hervorragende Pizza im angesagten SoCo (South of Congress) Viertel, wo es von Restaurants und Bars nur so wimmelt. In der Pizzeria werden wir prompt angesprochen, ob wir aus Deutschland kommen und mit aufrichtigen Fragen gelöchert. Die Menschen sind wirklich nett und aufgeschlossen in Austin.
Am nächsten Tag regnet es in Strömen. Uns bleibt keine andere Wahl, als einen auf Kultur zu machen. Wir beginnen mit dem Capitol, einem sehr beeindruckenden und ehrwürdigen Gebäude. Vor ein paar Jahren wurde es unterirdisch erweitert, um Platz für den Verwaltungsapparat zu schaffen, ohne den freien Blick auf des Capitol zu beeinträchtigen. Als nächstes gönnen wir uns einen Kaffee im Wholefoods Flagship-Store, denn Wholefoods kommt tatsächlich aus Austin. Der Laden ist eine Mischung aus der kulinarischen Abteilung des KaDeWe und einem phantastischen Bio-Supermarkt. Beim Einkaufen werden auch gleich BBQ gegessen, Sekt getrunken und Austern geschlürft. Wir machen Pläne für den Abend und hoffen, noch Karten für die ein oder andere, kostenlose SXSW Veranstaltung zu bekommen – keine Chance.
Jetzt aber weiter ins Bullock Texas State History Museum, wo wir einiges über die Geschichte von Texas, dem Unabhängigkeitskampf mit Mexiko, dem Anschluss an die USA und die Rolle der Sklaverei lernen. Als wir das Museum verlassen, regnet es nicht mehr. Wir erblicken Mieträder auf Zeit, so wie es sie auch in Berlin oder Paris gibt, und beschließen einen Abstecher zur 6th Street zu machen, ohne uns mit dem Auto in das Verkehrsgetümmel stürzen zu müssen. Die Fahrräder sind schnell per Kreditkarte klar gemacht, aber nach wenigen Meter beginnt es wieder zu regnen – so heftig, dass wir uns unterstellen müssen. Wir schaffen es dennoch in die 6th Street, wo die SXSW Teilnehmer sich mit Touris und Studenten vermischen, denn es ist Spring Break. Überall gibt es Livemusik zu sehen – Eintritt kostenlos. Wir trinken ein Bier und beobachten, wie zwei Mädels zwei Jungs beim Beer-Pong abledern – gleich zweimal hintereinander. Wir schlendern durch die Straße und schauen uns ein paar Bands an. Es ist echt cool hier, aber es wäre wahrscheinlich ohne die besoffenen Studenten und die SXSW Massen doch etwas authentischer.
Plötzlich nimmt der Regen unfassbare Ausmaße an. Wir flüchten in ein Café, um abzuwarten, aber es wird einfach nicht besser. An Fahrradfahren ist nicht zu denken, also halte ich ein Taxi an. “Zum Bullock History Museum? Unter $20 geht gar nichts”, raunt der Schwarze hinter dem Lenkrad. $20 für 5 Minuten Fahrt? “You got to be kidding” entfährt es mir und das Taxi zischt ab. Das ist Verarsche. Wir sind doch hier nicht in Kroatien. Also tun wir was wir in Südeuropa auch gemacht hätten und laufen. Der Regenschirm hält uns oben recht trocken, aber meine Chucks sind durchnässt, als wir nach 30 Minuten endlich am Auto ankommen. Abendessen gibt es daher, trotz Regen, im Magnolia Café mit Flipflops.
Unterm Strich ist Texas absolut eine Reise wert. Austin ist wahrscheinlich so liberal wie San Francisco und San Antonio ist einfach eine schöne und geschichtsträchtige Stadt. Den Rest dieses riesigen Staate (“Texas is bigger than France”) haben wir noch nicht gesehen, aber man kann ja wiederkommen. Sehr gerne!