Die Kesselgucker
Vor drei Wochen waren wir in Berlin, vor zwei Wochen sind wir umgezogen, höchste Zeit also für ein Spaßwochenende. Am Lake Tahoe gab es diese Woche jede Menge Neuschnee, also machten wir uns am Samstagmorgen um 6.30 Uhr auf den Weg, um dem Verkehr zu trotzen. Wir sind ja nicht die Einzigen mit guten Ideen.
Für uns ist dieses Wochenende ein langes, denn am am Montag ist President’s Day und damit Feiertag. Dementsprechend ausgebucht waren die Hotels und Motels rund um die Skigebiete. Wir quartierten uns daher in Reno ein, in einem Hotelcasino names Atlantis. Mehr dazu später. Gegen 10 Uhr erreichten wir, vom Stau gänzlich verschont, die Skigebiete am Lake Tahoe. Dort war es so windig, dass nahezu alle Lifte in der Umgebung geschlossen waren. Egal, wir ließen es ruhig angehen und schauten uns nach einem patenten Rodelhügel um. Leider ist Rodeln hier nicht so richtig angesagt. Stattdessen wird eher Tubing betrieben – mit luftgefüllten Gummireifen, auf kleinkindgerechten Idiotenhügeln. Nichts für uns. Wir beschlossen stattdessen am Donner Lake etwas wandern zu gehen. Dort trafen wir auch prompt auf die erste indische Großfamilie. Den Brüdern entkommt man wirklich nirgends. Liebe Eltern, vor einem Jahr waren wir hier mit Euch wandern und es lag so viel Schnee, dass wir ständig eingebrochen sind. Heute hatten wir 12°C und Tauwetter.
Auf dem Weg nach Reno kamen wir noch in Incline Village vorbei, einem kleinen Ort, der auf der Nevada-Seite des Sees liegt. Bei einem Kaffee fiel uns auf, dass wir an der Ponderosa Ranch Road geparkt hatten. Ponderosa Ranch? Da war doch etwas. Tatsächlich wurde die Fernsehserie Bonanza hier gedreht. Die Ranch ist seit kurzem in Privatbesitz und leider etwas heruntergekommen. Betreten streng verboten! Also weiter nach Reno, einer möchtegern Miniaturausgabe von Las Vegas. Wer hätte gedacht, dass das stundenlange Computerspielen solcher Autorennklassiker wie Test Drive, California Challenge oder Lotus Turbo Esprit sich einmal in der Praxis auszahlen würde, aber kurz vor Reno war der Wind so stark, dass Sträucher und kleine Büsche reihenweise durch die Luft und auf den Highway gewirbelt wurden. Ich hatte all Hände damit zu tun auszuweichen und war nicht immer erfolgreich. Zum Glück sind wir nicht mit unserem imaginären Tesla unterwegs gewesen.
Unser Hotel ist ganz ordentlich und wird natürlich von einem riesigen Casino im Erdgeschoss dominiert. Überall klingelt und blinkt es und haufenweise Rentner sitzen wie gebannt vor den einarmigen Banditen. Ist doch toll, wenn man ein Hobby hat! Der unbeschreibliche Wind machte sich auch auf unserem Zimmer bemerkbar, denn es pfiff lautstark durch die Ritzen der Zimmertür. Nun gut, wie steht es schon im alten Testament geschrieben? Gott hilft denen, die sich selbst helfen. Sei es auch nur mit einem Handtuch, das in die Ritzen gepresst wird. Nach einem kurzen Mittagsschlaf erkundeten wir das Hotel und blieben, um die Zeit bis zum Abendessen zu überbrücken, im Casino hängen. Unser Prinzip war einfach: $5 einsetzen und durch Freigetränke den Verlust ausgleichen oder sogar ein leichtes Plus machen. Am Ende verließen wir den einarmigen Banditen mit $12, jeweils mit einem Gin Tonic und einem Bier. Da soll mal einer sagen, im Casino gewinne immer nur die Bank!
Square wird 5
Die ersten Bilder hängen, die neue Putzfrau war auch schon da und wir haben jetzt sogar eine Hausnummer – es wird langsam in Oakland.
Da bleibt dann auch noch etwas Zeit, um Geburtstag zu feiern. Heute vor 5 Jahren wurde Square gegründet. Es gab traditionsgemäß Sekt und Hotdogs. Warum? Jack und Jim, die beiden Gründer von Square, verabredeten damals, nach einem Jahr ein erstes Resümee zu ziehen – bestenfalls mit Sekt, ansonsten halt mit Hotdogs. Seitdem gibt es immer beides, als Erinnerung daran, dass sie, und wir alle, es noch nicht geschafft haben. Angestoßen wurde dennoch, als die beiden ihre gemeinsame Rede beendet hatten.
Erwähnung muss außerdem die Mariachi-Band finden, die zu unserem Geburtstag etwas mexikanische Folklore beisteuerte. Wie mögen sich die Kandidaten gefühlt haben, die heute zum Interview da waren? Hotdogs, Sekt und mexikanische Musik, ich glaube das gibt es nur bei Square. Happy Birthday to us!
Dangerous Oakland
Wir leben noch und sind nicht im Dauerregen ertrunken. Es regnet seit einer Woche ununterbrochen – Tag und Nacht. So einen Regen habe ich noch nicht erlebt, in zwei Jahren Kalifornien. Es schüttet und schüttet und schneit am Lake Tahoe. Endlich frischer Schnee am Lake Tahoe!
Dieses Wochenende haben wir angefangen unsere Gegend zu erkunden und uns am Samstag auf die Suche nach einem Bäcker gemacht. So richtig sind wir nicht fündig geworden, aber ein Delikatessenladen um die Ecke hatte frisches Baguette zu bieten. Lecker und in Laufweite! Danach haben wir endgültig unser Häuschen in San Bruno übergeben. Vorher haben wir noch etwas mit Staubsauger, Putzlappen und Pinsel herumgepfuscht. Unser Vermieter war begeistert von so viel deutscher Gründlichkeit und machte uns keine Probleme. Als brave Wahlamerikaner haben C und ich natürlich gleich beschlossen, den frisch erhaltenen Kautionscheck zu reinvestieren – in einen neuen 47" Fernseher. Ich wollte eigentlich einen größeren haben, aber C hat mich nach mehrmaligem Nachmessen davon überzeugt, dass unsere Wohnung mehr Bildschirmdiagonale nicht verkraftet. Sie hatte recht und wir sind mit dem Bild unseres neuen Vizio (amerikanische Firma aus Südkalifornien) sehr zufrieden.
Zum Abschluss habe ich noch eine persönliche Geschichte aus Oakland zu erzählen. Nachdem mir C in Berkeley ein neues Fahrradschloss besorgt hat, fahre ich mit dem Rad zu McArthur BART-Station. Leider kann man dort, im Gegensatz zu San Bruno, keine Fahrradgaragen exklusiv mieten, so dass ich mein Rad in der Station anschließe. In San Bruno haben wir damit keine guten Erfahrungen gemacht. Ein gestohlenes Fahrrad und zwei gestohlene Sattelstützen waren die traurige Bilanz. Oakland gilt ja allgemein als heißes Pflaster. Nur zu dumm, dass ich prompt am ersten Tag meine Fahrradbeleuchtung am Rad vergaß. Als mir mein Fauxpas abends im Büro auffiehl, hatte ich wenig Hoffnung, meine Lampen jemals wieder zu sehen. Dementsprechend war meine Überraschung groß, als ich die Treppe hinunter kam, mit den Augen nach meinem Rad suchte und schon aus der Entfernung erkennen konnte, dass alles noch an seinem Platz war. Ick find Oakland jut!
Es ist 22:16 Uhr, ich sitze auf der Couch in unsere neuen Bude und trinke einen Whisky. C und ich blicken auf zwei Tage ganz im Zeichen des Umzugs zurück. Am Samstag haben wir alles, aber wirklich auch alles in Kartons und Koffer verpackt und am Sonntag sind wir umgezogen – im strömenden Regen. Gott weiß, warum es ausgerechnet an diesem Tag so schütten musste, nachdem es bisher ganze 4 Tage im ganzen Winter geregnet hatte. An diesem Tag haben wir uns einmal mehr als typisch deutsch präsentiert. Alles war generalstabsmäßig geplant und vorbereitet, als unsere beiden Helfer um 10:15 Uhr mit einem riesigen Lastwagen vor dem Haus hielten. Neil aus Irland und Nino aus Mexiko waren sichtlich überrascht, als ihnen klar wurde, dass sie nichts mehr einzupacken hatten. Und ab ging die Post. Mit 2-3 Umzugskartons pro Fuhre schossen sie durch das Haus und dezimierten die aufgereihten Kisten in Windeseile. Dennoch dauerte es knapp anderthalb Stunden, bis alles verpackt war. Jetzt noch der Grill, die Gartenmöbel, die Fahrräder und der Laster war voll! C und ich konnten es nicht fassen. Immerhin waren wir vor anderthalb Jahren mit vier Koffern eingezogen und hatten kräftig ausgemistet.
In Oakland hatte der Regen immerhin aufgehört. In der mit den Nachbarn geteilten Garage erlebte uns das blaue Wunder. Die beiden waren am Freitag eingezogen und hatten nicht so stringent ausgemistet wie wir. Die Garage war weitgehend mit Krempel zugemüllt. Also schnell noch oben vorstellen, ganz dezent mal ansprechen, dass wir ja etwas Stauraum benötigen würden und dann richtig Druck machen, damit in 10 Minuten tatsächlich Platz ist wenn der Umzugslaster kommt. Wir packten mit an und innerhalb einer guten Stunde war dann wirklich alles ausgeladen – und Platz geschaffen in der Garage. Neil war dann noch etwas stinkig weil, nachdem er und Nino deutlich teurer waren als veranschlagt, wir nicht mehr ausreichend Bargeld für Trinkgeld übrig hatten. Aber mit Square Cash kann man ja auch mittlerweile in den USA Geld verschicken. Wenn auch per Email anstatt per Kontonummer und BLZ.
Das Einräumen ging schnell und wir freuten uns über ausreichend Stauraum in der Küche, ein nagelneues Bad und schickes Parket in allen Zimmern. Die Stimmung war hervorragend, bis… ja, bis unser Obermieter erstmals durch seine Wohnung stampfte und seine Schritten nicht zu überhören waren. Die Klospülung übrigens auch nicht. Und im Schlafzimmer kann man beinahe Zeuge der über uns geführten Unterhaltungen werden. Vielleicht haltet Ihr uns jetzt für überempfindlich oder einfach total naiv und wahrscheinlich stimmt beides ein bisschen. Wir sind nach Oakland gezogen, um den Flugzeugen zu entkommen und haben jetzt Obermieter, die Lärm machen – ohne es zu wollen. Ja, wir haben gefragt, wie es denn mit der Dämmung steht. Und ja, wir hatten eigentlich das Prinzip, nicht unter andern in diesen Holzhäusern zu wohnen. Wir haben uns in diese Wohnung verliebt und dieses eine Prinzip über Bord geworfen. Und jetzt werden wir hier für ein Jahr wohnen.
Immerhin, C hatte heute den kürzesten Arbeitsweg aller Zeiten: 17 Minuten mit dem Fahrrad. Ich bin mir sicher, sie kann es auch in 15 schaffen. Ich brauche genauso lang wie vorher, es kommt mir aber kürzer vor. Da habt Ihr sie, die schonungslose Wahrheit unseres Umzuges nach Oakland. Wir machen es uns hier schon gemütlich. Wir werden uns daran gewöhnen, dass wir nicht mehr alleine wohnen. Und wir bleiben Suchende, in einem immer noch manchmal fremden Land.
Einmal Berlin und zurück
Ist es eine Schnapsidee, wenn man innerhalb einer Woche von San Francisco nach Berlin und zurück fliegt, nur um den Überraschungsgast auf einem 40. Geburtstag zu spielen? Ich finde, ja! C und ich haben es trotzdem gemacht.
Und so setzten wir uns am Freitagabend nach getaner Arbeit in die Lufthansa-Maschine nach München. Der Flug war weitgehend unspektakulär, was nicht nur an unseren Plätzen in der Economy Class lag, sondern daran, dass ich es fertigbrachte 7h zu schlafen. Absoluter Rekord. In München gab es schnell einen Kaffee, dann ging es auch schon weiter nach Berlin und beinahe ohne Umschweife direkt auf die Geburtstagsfeier von Cs Schwester, genannt Hasi. Wir hatten im Vorfeld alle Hoffnungen auf unser Erscheinen im Keim erstickt: Arbeit, bevorstehender Umzug, einfach zu viel zu tun. Daher war Hasis Gesichtsausdruck, nachdem sie die Wohnungstür geöffnet und uns Angesicht zu Angesicht gegenüber stand, auch unbezahlbar. Sie schaute uns an, dann zur Seite, wohl darüber grübelnd, ob sie schon zu viel Bier getrunken hatte, und dann wieder zu uns, bevor sie schließlich ein erfreutes und einladendes “ach nee!” ausstieß. Die Party war lustig, hielt uns davon ab, an Jetlag zu denken und offenbarte gleich den ersten Unterschied zu Kalifornien: Hasis Wohnung versank in dichtem Qualm, denn offenbar rauchen hier immer noch Alle.
Das blieb aber nicht der einzige vergessene Unterschied. Sicher, ich hatte nicht wirklich erwartet, im Januar Sonnenstrahlen in Berlin zu erleben. Dennoch war ich schockiert vom bedrückenden Grau der tief hängenden Wolken. Es wurde kalt in den folgenden Tagen und Berlin, das ich als lebendige Stadt in kenne, war wie ausgestorben. Niemand schien sich hinaus zu trauen, in diese Dunkelheit. Dennoch war es natürlich schön, einige wenige Freunde zu treffen und sich gegenseitig auf den neuesten Stand zu bringen. In einer Woche hat man nicht viel Zeit, vor allem nicht, wenn man noch mit seinem Vater Geburtstag feiern möchte. Überraschung Teil zwei, auch er wusste nicht Bescheid und auch er musste ein zweites Mal hinsehen, als er mich erblickte. C flog dann weiter nach Nürnberg und Finnland, denn im Gegensatz zu mir war sie nicht (nur) zum Spaß in Deutschland. Ich werde versuchen sie zu einem Gasteintrag zu überreden, denn Finnland ist offenbar die ein oder andere Geschichte wert.
Deutschland ist immer noch meine Heimat, aber erstmals war mir Berlin ein wenig fremd. Vielleicht bin ich einfach zu selten dort und ganz sicher hatte ich diesmal zu wenig Zeit. Es hat nicht einmal für einen Döner oder eine Currywurst gereicht. Und letztendlich ist Januar nicht die beste Reisezeit, für eine Schnapsidee aber gerade gut genug.
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