Yosemite – Teil 2

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Es gibt Tage, an denen wird einem klar, dass man nicht mehr 25 ist. Letzten Samstag, am Zeitpunkt unserer Wanderung zu den Upper Yosemite Falls, war so ein Tag.

Diese Wanderung hat uns alles abverlangt. Ich kann ohne Übertreibung sagen, dass ich selten so etwas anstrengendes gemacht habe. Läppische 5 km Strecke aber 1000 Höhenmeter galt es zu überwinden. Das sind 100 Höhenmeter auf 500 Meter, 10 Höhenmeter auf 50 Meter oder 1 Höhenmeter pro 5 Meter Weg! Mehr als Hundert Serpentinen ging es hinauf bei Temperaturen von 38° C im Schatten. Und wir waren beileibe nicht die langsamsten auf dem Trail. Im Gegenteil, eine Gruppe nach der anderen haben C und ich einkassiert, bis wir endlich oben angekommen waren. Und das obwohl wir die Wanderung vom Vortag in den Knochen hatten. Nur zwei Jungs haben uns kurz vor dem Wasserfall noch überholt. Wie im Delirium setzten wir die letzten Schritte, bis die zigtausend Treppen endlich ein Ende hatten und wir oben waren.

Aber es hat sich gelohnt. Die Aussicht auf das Tal war phantastisch. Wir folgten den in Stein geschlagenen Stufen etwas hinab zur Kante des Wasserfalls. Nur eine rostige Reling bot uns Halt und Sicherheit vor dem Abgrund. Und man musste sich ganz schön über das Geländer lehnen, um den Wasserall zu sehen. Das Tosen der Wassermassen allerdings war unüberhörbar. Wir waren noch höher gestiegen als am Tag zuvor und umso mehr beeindruckt von der Kulisse des Yosemite Nationalparks. Der Vernal Fall war fotogener, aber hierher kommt wirklich nicht jeder.

C hatte indes noch etwas anderes entdeckt. Querfeldein, abseits des Weges zur Aussichtsplattform, gab es zwei Wasserbecken, ca. 50 Meter von der Kante des Wasserfalls entfernt – und in einem schwammen Menschen (siehe Fotos). Eigentlich wollten wir nur unsere Füße ins kühle Nass halten, aber dann war die Versuchung zu stark. “Spring doch rein”, sagte C, “das ist vielleicht eine Gelegenheit, die einmalig im Leben ist. Baden im Wasserfall”. Sie hatte recht, also Klamotten aus (bis auf die Unterhose, wir sind ja in den USA) und ab ins Becken. Das Wasser war herrlich, nicht zu kalt und sehr erfrischend. Ich tauchte ab und hatte nach dem Auftauchen so ein Strahlen im Gesicht, dass C ohne zu Zögern ebenfalls ins Becken stieg. Und so schwammen wir, nach 2,5h Wanderung und 2 Tagen ohne Dusche, im Strom des Upper Yosemite Falls. Dieses Erlebnis werde ich sicher niemals vergessen.

Nach unserem Bad und einer ausgedehnten Mittagspause stiegen wir wieder auf den Gipfel hinauf, gerade rechtzeitig, um Zeugen des Gesprächs eines Passanten per Funkgerät zu werden: “Sag Mutti sie soll zum Laden gehen und kalte Getränke zu besorgen”. Wir mussten laut lachen, er hörte uns und lachte ebenfalls. “Kaltes Bier”, rief ich. “Ich war ja noch nicht fertig mit der Bestellung”, entgegnete er lachend. Das Bad hatte uns Energie und Ausgelassenheit zurück gegeben. Auf dem Rückweg kamen uns dann Wanderer entgegen, die wir bereits weiter unten überholt hatten – nach unserer ganzen Stunde Pause waren sie immer noch nicht oben angekommen. Ich tat mein Bestes die Armen mit optimistischen Zeitansagen aufzumuntern: “Nur noch 10 Minuten, dann seid Ihr oben”. Der Abstieg war zum Glück deutlich angenehmer als der Aufstieg (und er dauerte ca. 1,5h), obwohl ich Leuten mit Kniebeschwerden Wanderstöcke empfehlen würde.

Abends waren wir dann nicht mehr im Merced River schwimmen, sondern gönnten uns Schwimmbad und Duschen im Curry Village. Außerdem erfüllten wir uns unsere Wünsche des Deliriums vor dem Gipfel: ein Eis für mich und eine Zitronenlimo für C. Und so ging der Tag mit einer riesigen Portion Nudeln, Muskelkater und mit durch Mosquitos zerstochenen Beinen zu Ende. Das ist Leben pur!