Am nächsten Morgen, nach einer tiefschwarzen Nacht, waren die Kopfschmerzen weg. Wir packten unsere Sachen, holten uns einen Tee und warteten auf das Frühstück. Wir fühlten uns stark: kein Muskelkater, keine Druckstellen und vor allem kleine Blasen an den Füßen. Mit einer gewissen Überraschung stellten wir fest, dass der erste Tag phantastisch gelaufen war und wir voller Tatendrang für die zweite Etappe waren. Wir hatten die Auswahl zwischen zwei Wegen: weiter auf dem John Muir Trail entlang, oder durchs Echo Valley. Wir fragten einige Wanderer und das Sunrise-Team und entschieden uns letztendlich fürs Echo Valley. Das Frühstück war opulent. Es gab Oatmeal, Obstsalat, Omelette, kleine Bratwürstchen und French Toast. Wir schaufelten ordentlich rein, schließlich hatten wir wieder 10 Meilen (16km) vor uns.
Die Wanderung selber führte uns vor allem bergab. Unser Ziel lag mehr als 2000 Fuß (600m) niedriger. Das Echo Valley war wunderschön, gesäumt von Granitfelsen und blühenden Wiesen. Unterwegs wurden wir vom Mule Train überholt, einer Gruppe, die wir schon in Sunrise beobachtet hatten. Sie sparten sich den Weg zu Fuß und ritten stattdessen auf Pferden. Das gibt auch Muskelkater, dachte ich mir, denn die Pferde hatten auf dem schmalen, steilen Weg teilweise ihre Mühe und schaukelten die Reiter gut durch. Insgesamt war die heutige Wanderung deutlich weniger anstrengend als der erste Tag, aber die letzten zwei Meilen, eigentlich eine Sache von 40-60 Minuten, zogen sich. Wir stapften am Merced River entlang durch tiefen Sand und sehnten uns nach der Limonade, die im Camp für Neuankömmlinge traditionell bereitgehalten wird. Endlich waren wir da! Das Lake Merced Camp liegt wunderschön in einem Waldstück direkt zwischen dem See und dem Fluss. Wir bezogen unsere Hütte, tauschten Wanderstiefel gegen Flipflops aus und gönnten uns Limonade. Der See war eher flach und matschig, aber im Fluss liess es sich herrlich baden. Was für ein Gefühl, nach einer lange Wanderung einfach so durchs kalte, klare Wasser zu treiben! Dann kamen auch Kurt und John an, unsere Zeltnachbarn, die wir schon aus Sunrise kannten. Nach zwei Wanderungen war schon Halbzeit. Also wuschen wir unsere Wanderklamotten und setzten uns dann in die Abendsonne, um auf das Abendessen zu warten. Kurt und John hatten eine Weinflasche mitgeschleppt und teilten bereitwillig mit uns. Das Leben kann so einfach sein.