Kaum waren unsere Green Cards da, gab es schon den nächsten Knall: Mein Chef wechselte in ein anderes Team und bat mich, die Verantwortung über 4 Teams, 30 Entwickler und damit den größten Teil des Payments-Teams zu übernehmen. Ich hatte es kommen sehen, aber dennoch war ich überrascht, wie schnell es plötzlich ging. Innerhalb eines Jahres war ich vom Programmierer zum Manager eines, dann zweier Teams und schließlich zum Manager von Managern aufgestiegen. Dann muss man erstmal sacken lassen.
Die ersten zwei Wochen waren Stress pur, aber auch unheimlich spannend. Wir hatten drei Wochen Übergangszeit vereinbart, aber natürlich fragt niemand danach, wann man offiziell der Chef ist. Es geht sofort los. Plötzlich hagelt es Emails aus der Vorstandsebene und man entdeckt mehr Flächenbrände als einem lieb ist. In der ersten Woche war ich total unter Wasser und damit beschäftigt mein berufliches Leben zu ordnen. Aber schon zu Beginn der zweiten Woche war alles anders: Jetzt war ich am Drücker. Es ist schon ein tolles Gefühl, wenn man den Schalter umlegt, aufhört ständig nach Rat zu fragen und anfängt seine eigenen Entscheidungen zu treffen. So ist das, wenn man anfängt zu führen – und eigentlich ist es doch ganz einfach: wenn Andere einem vertrauen, kann man sich auch selber vertrauen. Das schöne bei Square ist, dass meine Kollegen es mir gönnen. Nach der öffentlichen Bekanntgabe meines Wechsels bekam ich zahlreiche Emails, die mir Glück wünschten und ihre Zustimmung zu diesem Aufstieg ausdrückten!
Dennoch war ich nach den ersten zwei Wochen richtig platt. So kam es mir ganz gelegen, dass ich schon vor Monaten zugesagt hatte, zur Grace Hopper Konferenz in Houston, TX, der größten Konferenz für Frauen in der Technologieszene, zu fahren. Als Frau hat man es als Programmiererin in den Technologiefirmen im Silicon Valley nicht leicht. Frau ist in der Unterzahl, fast nur von Männern umgeben und es ist schwer, in Führungspositionen zu kommen. Andererseits ist Diversity mittlerweile ein derart großes Thema, dass alle Firmen im Valley versuchen, mehr weibliche Programmierer einzustellen. Man kann getrost sagen, dass man sich als junge Frau mit Informatikabschluss aussuchen kann, wo man arbeiten möchte.
Microsoft entsandte 800 Mitarbeiter zu Grace Hopper, Google 1000 – wir waren mit 22 Leuten dabei. Wir trafen uns vor Beginn der Konferenz in Austin, TX, um zusammen das Wochenende zu verbringen. Ich war natürlich der Älteste (und Ranghöchste) und hatte meine Mühe, mit meinen partyfreudigen Kollegen mitzuhalten. Aber mit etwas Alkoholmanagement kommt man auch mit fast 40 immer noch gut mit. Austin ist eine tolle Stadt und es gab einige Highlights:
- Jack Danger (kein Witz, der Name) entledigte sich seiner Badehose im Freibad und wurde sofort von einer oben-ohne Texanerin zur Ordnung gerufen. Die Bademeisterin wurde noch deutlicher und drohte mit Rauswurf.
- Ich mietete ein Auto, aber nach 2 Minuten Fahrt ging uns der Sprit aus. Nur mit Glück schaffte ich es, die Auffahrt zum Highway zu vermeiden und rechts auf eine Tankstelle, direkt an eine Zapfsäule zu rollen. Schnell getankt und weiter ging es.
- In einem Uber mit Gandalf (langer, weisser Bart) am Steuer geriet ich in einen Verkehrsunfall. Besser gesagt, der Fahrer hatte eine Abbiegung verpasst, legte den Rückwärtsgang ein und gab einfach Gas. Dumm nur, dass hinter uns jemand war.
In Houston angekommen teilte sich die Gruppe: die meisten von uns bewegten sich zu Fuß in Richtung Hotel, um vorher einen Kaffee zu trinken. Eine andere Gruppe, mit meinen Zimmerkollegen Nate, nahm ein Uber zum Hotel. Gruppe eins erreichte das Hotel ca. eine Stunde später und ich wunderte mich, dass Nate auf keine SMS antwortete. Ich checkte ein, nahm den Fahrstuhl zum 6 Stock und stand schliesslich vor der Tür. Ich klopfte, aber es kam keine Antwort. Also schloss ich auf und trat in mein Hotelzimmer. Da hörte ich schon Nates Schreie aus dem Badezimmer: “Dennis, bist Du es? Na endlich! Hilf mir Mann, hol mich hier raus!”. “Du machst wohl Witze”, entfuhr es mir, aber dann sah ich schon sein Dilemma. Nate hatte, bei dem Versuch die Tür zu öffnen, die Klinke innen abgezogen – und sie damit buchstäblich in der Hand. Alle Versuche sie wieder auf den Stift zu schieben waren fehlgeschlagen, also blieb ihm nichts anders übrig als zu warten. Eine Stunde saß er im Badezimmer, ohne Telefon, nur mit der Hoffnung, dass ich schon irgendwann auftauchen würde. Ich musste so doll lachen wie selten zuvor in meinem Leben. Nate sagte nur: “I am so happy to see you, man”.