Wahlkampf

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Es ist Samstag, 5 Uhr morgens, als unser Wecker klingelt. Eine halbe Stunde später sitzen wir zusammen mit Farshid und Nikhil im Auto, um in Reno, Nevada Wahlkampf für Hillary und die Demokraten zu machen. Was für ein Team wir sind: Farshid, der iranische Jude, Nikhil, in erster Generation hier geborener Inder, und zwei Deutsche, die nicht einmal wählen dürfen. Kalifornien ist so eindeutig demokratisch, dass weder Trump noch Clinton hier ihre Zeit mit Wahlkampf verschwenden. Hier brennt nichts an. In Nevada sieht das anders aus. Nevada ist ein so genannter Swing-State.

Um 9:30 Uhr treffen wir in der Wahlkampfzentrale der Demokraten für den Bezirk Sparks ein. Wir erhalten eine kurze Einweisung und ein Paket mit Namen und Adressen von Wählen, die sich als Demokraten registriert haben, aber noch nicht per Briefwahl abgestimmt haben. Da es in den USA kein Melderegister gibt, muss man sich vor jeder Wahl registrieren, um abstimmen zu können. Praktischerweise gibt man dabei schon mal seine Präferenz an, so dass die Parteien dann gezielt auf Wähler Jagd machen Jetzt gehen wir auf die Jagd nach vermeintlichen Hillary-Wählern. C und ich, Farshid und Nikhil, das sind die Teams. Wir nehmen uns einen ganzen Block mit 150 Adressen vor und legen los.

Die Gegend sieht öde aus. Untere Mittelschicht, höchstens. C und ich sind nervös als wir am ersten Haus klingeln. Niemand da. Schnell einen Vermerkt auf der Liste gemacht bevor es weiter geht, denn es werden heute noch zwei weitere Trupps hier vorbeischauen. Die erste Tür geht auf, Kinderaugen schauen uns an. Wir fragen nach der Mutter und sie erscheint in die Tür. Die Frau sieht müde aus – zahnlos, übergewichtig, mit mindestens drei Kindern. Ja, sie sei für Hillary. Ja, sie wisse wo das nächste Wahllokal sei. Ja, sie habe vor zu wählen. Ja, ja, ja. Ich bin nicht überzeugt, dass sie tatsächlich wählen gehen wird. Aber in diesem Moment lerne ich etwas über dieses Land. Es wird mir klar, dass Amerikaner wie diese Frau andere Probleme haben, als zu entscheiden ob ein weißer Milliardär oder eine weiße Millionärin die Zukunft dieses Landes bestimmen werden – eine Zukunft von der sie sowieso nichts zu erwarten haben. Ich bin dazu erzogen worden, wählen zu gehen. Ich nehme mir die Zeit, mich mit Welt-, Sozial- und Klimapolitik auseinander zu setzen. Ich habe nur einen Job und verdiene dennoch genug Geld, um mir keine Sorgen machen zu müssen. Es ist einfach, Trump-Wähler als Idioten, dumm und blind, abzustempeln, aber die meisten Menschen in meinem sozialen Umfeld haben einfach keine Ahnung, wie es ist, abgehängt worden zu sein – ich inklusive. 

Es gibt auch andere Häuser, vor denen wir von Hillary-Wählern freundlich empfangen werden. Niemand pöbelt uns an, auch keine Trump Wähler. Nur eine Bulldogge macht Jagd auf uns. Dabei sind wir gar keine Briefträger. Nach 3h ist die erste Schicht vorüber.