Ein Amerikaner verbringt im Durchschnitt ca. 600 Stunden im Jahr (also 25 Tage) im Auto. Dagegen hat der Durchschnittsangestellte in Amerika nur 16 Tage bezahlten Urlaub. Wenn man mehr Zeit im Auto als im Urlaub verbringt (ja, statistisch etwas salopp), ist es leicht verständlich, dass das Auto als zweites Zuhause fungieren muss. Getränkehalter, Schminkspiegel und die Kleenex-Box unter der Sonnenblende sind nur der Anfang. Entertainment gibt es für die Kleinen auf der Rückbank mit Fernsehen, DVDs und Spielen auf mehreren Kanälen, alle anderen spielen mit ihrem Handy. Schminken, Frühstücken, Fingernägel lackieren: für die Frau von Welt kein Problem unterwegs (beim Selberfahren, Fingernägel schneiden ist mir bisher nur in BART aufgefallen). Zeitung lesen, Aktien handeln, Burger essen: lieber bei laufendem Motor, gerne in Fahrt.
In der Werbung geht es beim zweiten zu Hause vor allem um Emotionen, nicht um Fakten. Das Auto (das kann dank VW jeder Amerikaner auf deutsch sagen) ist das Pferd, dass einen durch die unendlichen Weiten der USA schaukelt, das einen mit Blondinen und Glamour zum roten Teppich bringt und jeden bei sagenhaften 120km/h auf dem Highway zum Rennfahrer macht. Drehmoment, Leistung, Verbrauch? Egal! Preis? Es gibt doch Kredite. Hauptsache, die Kutsche passt zum Lebensstil und fühlt sich gut an.
Wenn es Abend wird im zweiten Zuhause, soll es noch gemütlicher werden. Dann kann man schon mal im Dunkeln – quasi ungesehen – ohne Licht fahren. Das ist mir auf meinem heutigen Heimweg mit dem Rad in 15 min gleich 4 Mal passiert. Dass Autofahren vielleicht doch etwas mehr Aufmerksamkeit verlangt als zu Hause im Sessel zu sitzen, muss Teil einer anderen Folge werden. Eines steht fest: die selbstfahrenden Autos von Google wären hier ein Gewinn für die Verkehrssicherheit, obwohl Google sie möglicherweise vor allem deshalb entwickelt, um die Unfallrate der eigenen Mitarbeiter zu senken.