Präsident Trump

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Letzte Nacht hatte ich einen fürchterlichen Alptraum: Donald Trump ist tatsächlich zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika gewählt worden. Nach einer unruhigen Nacht konnte auch ein phantastischer, kalifornischer Sonnenaufgang nicht darüber hinwegtäuschen, dass nichts mehr war wie vorher. Hillary hatte verloren, abgestraft von der weißen Arbeiterklasse, die sich nichts sehnlicher wünschte, als Veränderung – das Change der weißen Vorherrschaft. Wir hätten es ahnen müssen: Ein schwarzer Präsident war genug. Ein solches Desaster konnte sich die weiße Unter- und Mittelschicht nicht so einmal gefallen lassen. Trump hatte allen Prognosen zum Trotz den mittleren Westen erobert und Hillary’s Schutzschirm spätestens mit Siegen in North Carolina und Pennsylvania durchbrochen. Aus, Ende, verloren. Die Republikaner haben die absolute Mehrheit im Kongress und werden sich anschicken, alle Errungenschaften Obamas Rückgängig zu machen.

Was nun?

Der Schock sitzt tief. Gestern Abend wollten wir zusammen mit Freunden auf die erste Präsidentin der USA anstoßen. Als wir ziemlich spät, gegen 19 Uhr, dazu stießen, waren die Feierlichkeiten in vollem Gange – dabei deutete sich schon an, dass Hillary verlieren könnte. Aber unsere amerikanischen Freunde hatten das noch gar nicht bemerkt, ignorierten weitgehend die neuesten Prognosen und verließen sich darauf, dass Kalifornien schon die Wende bringen würde. Die Ahnungslosigkeit wandelte sich zuerst in Unglauben und dann in Verleugnung. Niemand wollte wahrhaben, was tatsächlich geschah. Der bigotte Rassist Trump schnappte sich einen Swing-State nach dem anderen und eilte dem Sieg entgegen. Wir gingen bevor das amtliche Ergebnis feststand, aber in vollem Bewusstsein darüber, dass wir in den kommende Tagen sehr viel würden nachdenken müssen.

Bei Square herrschte Totenstimmung, als ich am Mittwochmorgen ins Büro kam. Niemand konnte fassen was am Tag zuvor passiert war. Die Börse hatte kurz nachgegeben, sich dann aber doch stabilisiert. Überall wurde die Wahl diskutiert und am Nachmittag 1h Diskussion anberaumt, für diejenigen, die Redebedarf hatten. Ca. 150 Personen quetschten sich in unseren großen Konferenzraum. Ich nahm auf dem Teppich platz und hörte meinen Kollegen zu, wie sie ihre Enttäuschung, Ängste und Sorgen beschrieben. Es war schockierend, wie unmittelbar einige betroffen waren. Da war die Philipina, deren Großmutter Trump gewählt hatte und damit die Familie in eine Krise gestürzt hatte, oder der Schwarze, der sich als Amerikaner zweiter Klasse fühlte und zugab, sich in einem Raum mit Weißen zu fürchten. Der Inder, der seinen beiden Kindern (mit einer schwarzen Frau) erklären musste, dass der Rassist gewonnen und sie weiterhin mit Anfeindungen zu rechnen hatten. Der Mexikaner, der vor Jahren als illegaler Einwanderer in die USA kam, zunächst obdachlos war und dennoch die USA bei seinem Studium in Spanien gegen Kritik seiner europäischen Kommilitonen verteidigt hatte – nur um jetzt pauschal als Vergewaltiger abgestempelt zu werden. Eine Frau berichtete unter Tränen, dass ihre Freundin nicht ein oder aus wisse, weil ihre Eltern womöglich deportiert werden. Mein Kollege Dave, dessen Eltern zurück nach Kanada ziehen müssten, falls Obamacare abgeschafft würde. Insgesamt flossen viele Tränen an diesem Nachmittag. Der Schock sitzt tief in Kalifornien. Irgendwann meldete auch ich mich zu Wort, berichtete von meinen Erfahrungen als Wahlkampfhelfer in Nevada, verwies auf die deutsche Geschichte und die Entwicklungen in Europa und das abermals zerstörte Weltbild des moralischen Vorbilds USA. Dennoch, das Vertrauen der (gebildeten) Amerikaner in ihre politischen Institutionen ist nach wie vor ungebrochen. Immer wieder hörte ich: “Was kann der Präsident schon anrichten, wir haben doch Gewaltenteilung. Wir haben Busch überlebt und werden auch Trump überstehen”.

Mag sein, für uns stellt sich aber die Frage wie es weitergeht. Wir haben Prinzipien. Wir haben gekämpft für unsere Wahlheimat – und verloren. Jetzt werden wir mitansehen müssen, wie ein Rassist das Land regiert und der Klimaschutz, Obamacare und andere zukunftsträchtige Projekte abgewickelt werden. Wie die Engländer möchten auch die Amerikaner die Uhr der Globalisierung zurückdrehen und sie im eigenen Land verschanzen – auch wenn Trump keine Mauer bauen sollte. Keine Frage, Trump hat die politischen Spielregeln neu definiert. Wir jedoch sind aus freien Stücken hier und haben Kalifornien lieben gelernt. Ich weiß noch nicht, wie es weitergeht, aber C hat mir heute unter Tränen mitgeteilt, dass sie mittelfristig die USA verlassen möchte. Es ist eine Schande, aber wahrscheinlich endet so unser Kalifornienabenteuer. Nur wohin? Mit Sorge schaue ich nach Frankreich, wo Marine Le Pen im nächsten Jahr den nächsten populistischen Sieg einfahren könnte. Das wäre höchstwahrscheinlich das Ende Europas. So oder so steuern wir unsicheren Zeiten entgegen.