Es wird ernst

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In fünf Tagen wählen die Amerikaner eine neue Präsidentin. Hoffentlich. Wir alle hier im Land sehnen das Ende eines Wahlkampfes entgegen, der vorwiegend unter der Gürtellinie und ohne jedes Niveau geführt wurde – bei dem Fakten keinerlei Rolle gespielt haben. Aber während viele Amerikaner das ganze Spektakel immer noch als Witz abtun, haben C und ich einfach nur Schiss. Schiss, dass Trump tatsächlich gewinnt.

Vor 10 Tagen war er eigentlich schon erledigt, mal wieder. Sein Prahlen darüber, wie er Frauen einfach küsse und sexuell nötige war allgemein als die Entscheidung zugunsten Clintons gewertet worden. Trumps Umfragewerte stürzten ab, sogar seine engsten Mitarbeiter gestanden die drohende Niederlage ein. Und dann veröffentlichte das FBI tatsächlich ein Memo, mit dem bekannt gemacht wurde, dass möglicherweise neue Emails von Clinton aufgetaucht seien, die eine weitergehende Untersuchung erfordern würden. Hillary wird diese Emailaffäre einfach nicht los. Jetzt sind es ihre Umfragewerte, die im Keller sind und Trump ist wieder im Rennen. Innerhalb einer Woche hatte man ihm seine sexuellen Übergriffe und Beleidigungen verziehen. Wahnsinn.

Das FBI is bis heute weitere Erklärungen schuldig geblieben. Und was soll man schon finden, in Clintons Emails? Hillary ist wahrscheinlich die am meisten durchleuchtete Persönlichkeit der USA. Seit Jahrzehnten steht sie in der Öffentlichkeit und musste sich ein ums andere Mal erniedrigen und beleidigen lassen – weil sie eine Frau ist. Man nahm ihr übel, dass sie den Namen ihres Manners erst spät annahm. Man nahm ihr übel, dass sie als First Lady mehr vor hatte, als Tee servieren. Man nahm ihr übel, dass sie sich für eine allgemeine Krankenversicherung einsetzte, damals vor 20 Jahren. All diese Scharmützel haben ihr Image geprägt. Heute ist sie eine der am meisten verhassten öffentlichen Personen in den USA. Ja, so ist es, die Menschen hassen sie mit Inbrunst.

Dabei ist unbestritten, dass Hillary hochintelligent und bestens für das Amt qualifiziert ist. Dumm nur, dass viele Amerikaner sich abgehängt fühlen von Obamas Politik, nichts mitbekommen von den guten Wirtschaftszahlen. Ginge es nur nach den weißen Männern im Land, würde jeder Staat republikanisch wählen. Es geht um Protest. Protest gegen die Intellektuellen, das Establishment. Da kommt einer wie Trump gerade recht. In den deutschen Medien wird der Eindruck vermittelt Trump sei ein Idiot – unwählbar und chancenlos. Dem ist nicht so. Trump ist ein Medienprofi, der lügt wie gedruckt, aber immer das sagt, was seine Anhänger hören wollen. Sicher, aus deutscher Sicht sind die Republikaner, übrigens tief gespalten, ultrakonservativ und angestaubt. Aber die Grand Old Party ist immer noch eine Institution in den USA. Trump, angeblich milliardenschwer, schafft es tatsächlich der arbeitslosen weißen unteren Mittelschicht zu suggerieren, er sei einer von ihnen – obwohl er seit 20 Jahren keine Steuern zahlt.

Es liegt vieles im Argen in der politischen Landschaft der Supermacht USA. Aber im Kern sind die Probleme nicht anders als die, die in Europa zum Brexit geführt haben: Nationalismus, Populismus, das Schüren von Ängsten und Protest gegen die herrschende politische Klasse. C und ich können nicht wählen, aber wir möchten uns dennoch nicht auf unsere amerikanischen Mitbürger verlassen. Am Samstag zieht es uns nach Reno, Nevada, um für Hillary Wahlkampf zu machen. Niemals hätte ich mir vorgestellt, dass es mit mir mal soweit kommt, aber Trump hat in Nevada in den letzten 14 Tagen einen klaren Rückstand in einen hauchdünnen Vorsprung umgewandelt. Landesweit liegt Hillary in den Umfragen noch leicht vorne, aber ihr Vorsprung schmilzt von Tag zu Tag. Jetzt wird es ernst und leider ist alles möglich.